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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank
Autoren: Gunnar Staalesen
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ich um sie legen konnte. Ich strich ihr zaghaft über das Gesicht.
    Sie lächelte auch: ein strahlendes Lächeln. Es war jetzt nicht mehr viel Schminke auf ihrem Gesicht. Sie sah aus wie ein Mädchen, das ich früher sicher gern gekannt hätte.
    Dann fuhren wir weiter.
    Was sie ein Motel genannt hatte, war ein ziemlich neues Hotel direkt an der Hauptstraße, das flach in der Landschaft lag, aus grauem Beton und mit einer raffinierten Lichtschranke am Eingang, die uns sowohl die Tür öffnete als auch mit einem langen, unheilverkündenden Piiiiiiip-Piiiiiip unser Kommen ankündigte. Der Portier sah morgenblaß und fahl aus und hob kaum den Kopf, um uns anzusehen. Er erkannte Elsa wieder und schenkte mir einen säuerlichen Blick. Wir bekamen ein Zimmer im westlichen Flügel, und Elsa bekam eine Plastikkarte anstelle eines Schlüssels. An der Zimmertür angelangt, steckte sie die längliche Karte in einen schmalen Schlitz und öffnete die Tür. Ich besah mir die Plastikkarte näher. Sie hatte ein einfaches Lochkartenmuster. Ich hatte das Stadium erreicht, wo ich mich für die Details interessierte. Neben mir zog Elsa sich aus.
    Sie behielt die Unterwäsche an und half mir aus meinen Kleidern. Zum Schluß war ich nackt bis auf die Handschellen. »Wir schlafen so besser«, flüsterte sie zart. »Nackt.« Sie ließ die letzten Kleider fallen. Draußen vor dem Fenster stieg das Licht langsam höher. Ich glaube, ich schlief schon, bevor ich im Bett war. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran, daß ich mich hinlegte.
    Aus weiter Ferne hörte ich ein klingendes, dröhnendes Geräusch. Ich träumte, ich sei auf einem Flugplatz, mitten auf der Landebahn, als ein gigantisches Flugzeug zur Landung ansetzte. Ich öffnete die Augen und begriff, daß es das Dröhnen des Verkehrs draußen auf der Hauptstraße war.
    Ich drehte mich langsam zum Fenster. Es knackte gefährlich in meinem Nacken. Draußen war das Tageslicht klar und weiß, der Himmel blaß und blau.
    Ich lag auf dem Rücken. Elsa lag zusammengerollt in meinem Arm. Ihr Haar kitzelte mich im Gesicht.
    Ihr Körper lag weich und warm und schwer neben meinem. Sie seufzte leise im Halbschlaf, ohne die Augen zu öffnen. Ihr Gesicht war völlig nackt, fast wie neugeboren.
    Ich bewegte mich, vorsichtig. Der eine Arm war eingeschlafen, der andere tat weh. Sie öffnete plötzlich die Augen und zuckte zusammen. Ihre Augen weiteten sich, und die Pupillen wurden groß und schwarz. Dann zogen sie sich zusammen, und ich sah, daß sie mich wiedererkannte, sich daran erinnerte, wo sie war. Der Kopf fiel zurück, und sie lag da und atmete gegen meine Brust.
    Es war ganz still in mir, wie in einem Heuhaufen, in dem noch niemand begonnen hatte, nach der Nadel zu suchen.
    »Wie spät ist es?« fragte sie.
    Ich sah auf meine Armbanduhr. »Viertel nach zwei. Ich begreife nicht, daß sie uns nicht geweckt haben.«
    »Ich habe für anderthalb Tage bezahlt«, sagte sie. »Wir haben den Tag und die Nacht vor uns.«
    Ich setzte mich abrupt auf. »Aber wir müssen …«
    »Nicht!« Sie hielt mich fest. »Leg dich hin, entspann dich, du brauchst Ruhe …«
    Der Gedanke war verführerisch, einfach wieder ins Bettzeug zu sinken, mit ihr zusammen die Wärme zu finden, zu vergessen … Aber es waren Menschen gestorben – vor einem Kühlschrank, am Fuß einer Treppe, im Hafenbecken … Vielleicht waren es noch mehr. Vielleicht auch – Arne Samuelsen.
    Sie zog mich auf das Bett hinunter, mit starken Armen, spreizte die Finger auf meiner Haut, bohrte das Gesicht in die Kuhle zwischen meinen Rippen. »Varg …«
    »Hör zu, Elsa, ich …« Ich packte sie bei den Schultern, drehte sie auf die Seite, stützte mich auf einen Ellenbogen und beugte mich über sie. Ich sah in ihr Gesicht, in ihre Augen. »Hör zu. Was passiert ist – vorgestern … Es klingt sicher lächerlich, jetzt, hinterher – aber, es hat was mit meiner Art von Treue zu tun …«
    Sie sah mich ernst an. »Das ist nicht lächerlich, Varg.« Sie strich mit einer Hand mild über mein Gesicht, verweilte einen Augenblick am Kinn, bevor sie die Hand wieder auf das Kissen fallen ließ.
    Ich versuchte die richtigen Worte zu finden. »Nicht unbedingt Treue ihr gegenüber. Sondern gegenüber etwas in mir.«
    »Ich verstehe.« Sie lächelte blaß.
    Ich legte mich wieder neben sie. Die Bilder der Erlebnisse des Vortages und der Nacht begannen vor meinen Augen zu tanzen. »Aber … Was wollten sie eigentlich von dir ,Elsa? Warst du nur ein Lockvogel?
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