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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank
Autoren: Gunnar Staalesen
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Mal, daß ich ein Hotelzimmer verlasse, ohne – seit sehr vielen Jahren.« Dann kam sie herüber und legte ihre Arme um meinen Hals, lehnte ihren Körper weich gegen meinen. »Wir essen erst was, oder?«
    Ich nickte in ihr Haar hinein. »Wir sollten auf jeden Fall warten, bis es richtig dunkel ist.«
    Automatisch sahen wir zum Fenster. Es war Zeit, die Gardinen vorzuziehen. Die Dämmerung verwischte die Konturen. Wir hatten einen Tag verloren.

36
    Die Straße lag im Dunkeln. Um den Eingang der Spielhalle herum flimmerten die farbigen Neonröhren. In dem weißen Bethaus waren die hohen Bogenfenster erleuchtet, bis auf der Straße hörte man eine rhythmische Melodie und ergreifenden Gesang. Es war ein deutlicher Kontrast, als lägen Himmel und Hölle Wand an Wand, und als wäre der kleinste Fehltritt genug, um durch die falsche Tür zu gehen.
    Wir waren kreuz und quer durch die dunkelsten Seitenstraßen gekommen, und von einer Ecke aus beobachteten wir das Haus mißtrauisch. Ich hielt Elsa mit einem Arm hinter mir, wie um sie zu beschützen. »Es ist Licht im zweiten«, flüsterte sie.
    Ich nickte. Auch im ersten Stock war Licht, hinter heruntergelassenen Jalousien. »Die Frage ist nur, wie wir reinkommen.«
    Neben dem Bethaus ging es durch ein hohes, weißes Tor direkt in den Hinterhof. Wenn wir dort hindurchkamen, dann …
    Ich sagte: »Ich geh zuerst. Wenn alles gutgeht, kommst du nach, okay?«
    »Mm.« Sie nickte. »Sei vorsichtig.«
    Ich drückte schnell ihren Arm, sah mich prüfend um und überquerte die Straße. Das Kopfsteinpflaster glitzerte. Weiter unten in der Straße standen drei, vier Wagen geparkt. In einem Hauseingang stand ein junges Paar in heißer Umarmung und hatte alles um sich herum vergessen. Der Psalmengesang wurde lauter. Ich behielt Ole Johnnys Haus scharf im Auge, aber es war niemand zu sehen. Drinnen in der Spielhalle schepperte ein Automat – ein Geräusch wie von einem Maschinengewehr.
    Ich hatte das Tor erreicht. Ich drückte die Metallklinke herunter, und mit einem scharrenden Geräusch glitt das Tor auf. Ich sah rasch zurück. Nichts zu sehen. Ich ging hinein.
    Ich sah mich um. Links trennte ein hoher Bretterzaun die beiden Höfe voneinander. Der Zaun war alt und grau und oben mit rostigem Stacheldraht verziert. In einer Ecke des Hofes stand ein Mülleimer. Etwas Kleines, Graues huschte am Zaun entlang und verschwand in der Dunkelheit.
    Ich ging zurück und öffnete das Tor einen Spalt. Elsa hatte die Straße schon halb überquert. Ich öffnete das Tor weiter und zog sie herein. Wir blieben dicht nebeneinander stehen und lauschten. Der Psalmengesang war zu Ende. Jetzt redete jemand. »Halleluja!« ertönte es schwach durch die Wände. »HALLELUJA!« antwortete der Chor der anderen Stimmen.
    Wir gingen weiter auf den Hofplatz. Der Stacheldraht auf dem Zaun schien nicht sonderlich gut befestigt. Es würde nicht schwer sein, ein Stück loszureißen.
    Ich schob den Mülleimer an den Zaun und stieg vorsichtig darauf. Der Zaun war ungefähr zwei Meter hoch, und jetzt konnte ich hinüber in den Hof hinter Ole Johnnys Haus sehen. Eine Feuerleiter führte im Zickzack die Rückseite hinauf. Vor jeder Etage war ein kleiner Altan. Das sah vielversprechend aus.
    Ich holte ein Etui aus meiner Manteltasche und befestigte einen Schraubenzieher an dem kleinen dazugehörigen Plastikgriff. Indem ich den Schraubenzieher unter den Stift preßte, mit dem der Stacheldraht befestigt war, gelang es mir, ihn auf einer Breite von anderthalb Metern zu lösen. Als ich fertig war, sprang ich vorsichtig wieder vom Eimer herunter.
    Ich packte sie bei den Schultern. Die Handschellen rasselten. Ich hatte versucht, sie unter den Ärmel zu schieben, damit sie nicht im Weg waren. »Willst du nicht hier warten? Es könnte …«
    »Ich komme mit.«
    »Aber warum?«
    »Warum nicht?«
    »Es könnte …«
    »Was für mich gefährlich ist, ist auch für dich gefährlich, und dann kann es gut sein, wenn man zu zweit ist. Wir müssen zusammenhalten, Varg!« Sie sah mich mit dunklen Augen eindringlich an. Es war nutzlos, weiter zu diskutierten. Sie war stur wie ein Esel.
    »Na gut. Ich geh zuerst rüber.« Ich wartete ab, ob sie protestieren würde, aber das tat sie nicht. Dann stieg ich wieder auf den Eimer, hielt mich am Zaun fest – und schwang mich hinüber. Ich ließ mich vorsichtig auf der anderen Seite hinuntergleiten. Nichts geschah.
    Elsa kam hinterher. Sie bewegte sich flink, die enge Cordhose schien sie nicht zu
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