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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank
Autoren: Gunnar Staalesen
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fuchtelte mit etwas Häßlichem, Schwarzem, das er in der rechten Hand hielt, in der Luft herum. Es war ein Revolver. »Veum!« brüllte er. »Jetzt hab ich euch!« Der Prediger stand wie gelähmt hinter dem Rednerpult. Elsa rannte mit mir an den Stuhlreihen vorbei, durch den Mittelgang und zum Ausgang.
    »Veum!« brüllte Jonsson hinter uns. Dann kamen sie trampelnd hinter uns her. Ich hörte die Stimme des Predigers: »Brüder und Schwestern! Habt Erbarmen miteinander …!«
    Mehr hörte ich nicht. Durch den äußeren Flur hatten wir den Haupteingang erreicht. Wir öffneten die Tür und traten auf die Straße.
    Ole Johnny und Jolle kamen uns entgegen. Wir liefen in die entgegengesetzte Richtung zur nächsten Straßenecke. Auch dort tauchten vor uns zwei mächtige Schatten auf. Wir änderten die Richtung, liefen auf ein anderes Haus zu. Es war eine Sackgasse. Elsa schluchzte laut.
    Jonsson war auch aus dem Bethaus herausgekommen. Ich hörte seine Stimme durch die schmale Straße gellen: »Bleib stehen, Veum! Bleib da stehen – sonst schieß ich!«
    Die Worte hallten von den Wänden um uns herum wider: schieß ich , schieß ich !
    Es gab keinen Ausweg. Elsa stolperte und blieb auf der Straße sitzen. Ich drehte mich zögernd um und blieb stehen und wartete. Die Atemzüge zerrten in meinen Lungen, und mein Magen war bleischwer vor Angst.
    Carl B. Jonsson ging auf dem Straßenpflaster in die Knie. Er hielt mit beiden Händen den Revolvergriff. Der Revolver zeigte direkt auf mich, ungefähr in Brusthöhe. Neben Jonsson tauchte Vevang auf und blieb stehen.
    Jonsson erhob sich langsam, ohne den Revolver zu senken. Sein Gesicht war grimmig und entschlossen.
    Vevang murmelte ihm etwas zu. Hinter mir hörte ich, daß Elsa wieder auf die Beine gekommen war. Ihre Schritte kamen näher. Ich warf einen raschen Blick hinter mich. Sie ging schwankend, und sie sah mich nicht an. Sie starrte geradeaus über meine Schulter, direkt auf Jonsson. Aber sie sprach zu mir: »Varg …«
    Jonsson unterbrach sie mit widerhallender Stimme: »Hör nicht auf sie, Veum! Ich hoffe, dir ist klar, daß ich dich gerettet habe?«
    Ich sah ihn an, ohne zu begreifen, was er sagte.
    Jonsson fuhr fort: »Wozu zum Teufel glaubst du, hat sie ihre Tonbänder benutzt? Die verdammte Hure. Sie hat geglaubt, sie könnte mich mit ihren verdammten Amateurgeschichten hinters Licht führen. Mich, wo ich mit topelektronischem Gerät gearbeitet hab, zu Hause in den Staaten! Wir können Leute am anderen Ende der Welt abhören, und sie kommt mit irgendwelchen uralten CIA-Geräten daher. Tinnef, Veum! Reiner Tinnef – wie sie selbst!«
    Ich wandte mich halb Elsa zu. Ich begegnete ihrem schwarzen Blick, den großen Augen.
    »Frag sie, wo sie das Geld gelassen hat, Veum!« brüllte Jonsson.
    Ihr Haar war zerzaust, und sie hatte eine Schramme rechts auf der Stirn. Das Gesicht war hager und hohlwangig in dem grellen Lichtschein des Bethauses. Plötzlich spürte ich, daß es kalt war, ekelhaft kalt. Die Sterne hatten den Himmelsteppich über uns durchbohrt, und durch die Löcher sickerte die Kälte aus dem All, die Kälte aus dem endlosen Nichts.
    Sie hob mir eine schmale Hand entgegen, bis an meinen Mund und sagte: »Hör nicht auf ihn, Varg. Es ist nicht wahr …«
    Ein paar lange, endlose Sekunden sahen wir einander an. Ich sah ihre Augen, ihren Mund, den zierlichen Körper in den dünnen Kleidern. Dann lächelte ich sanft und sagte: »Ich weiß, Elsa. Ich glaub ihm nicht. Weil ich etwas weiß, von dem er nicht weiß, daß ich es weiß.«
    Wir hörten die Wagen, bevor wir sie sehen konnten. Sie kamen durch die Seitenstraße gerast. Ein Streifenwagen schlitterte um die Kurve und schaltete die Suchscheinwerfer ein. Jonsson stand im Lichtschein, eine gestochen scharfe Silhouette. Verdutzt drehte er sich um. Jemand sprang aus dem Wagen, eine Waffe und ein Helm blitzten auf. Über Lautsprecher ertönte Bertelsens Stimme, trocken und bestimmt: »Laß die Waffe fallen. Wir sind bewaffnet!«
    Jonsson stand gespannt wie eine Feder. Dann ließ er den Arm sinken und nahm Haltung an. Mit einem Schulterzucken warf er die Waffe weg, in die Dunkelheit. Sie landete mit einem hohlen Geräusch auf dem Pflaster. Er drehte sich langsam zum Licht, fast wie ein Hollywoodstar, der vor der Galapremiere den Beifall des Publikums entgegen nimmt. Aber es war keine Premiere. Es war die letzte Vorstellung.
    Dann waren wir plötzlich eine Gruppe: Jonsson, Vevang, Elsa, Ole Johnny, Kalle, Jolle und
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