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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
Autoren: Karin Wahlberg
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1
    Carl-Ivar Olsson saß an Deck und genoss das Leben in vollen Zügen. Es war Samstagnachmittag, die Schiffsmotoren tuckerten beruhigend und lullten ihn ein. Die frische Luft tat ihr Übriges.
    Frisch war allerdings eher zu viel gesagt … Rasch korrigierte er sich. Die Luft einer Stadt von der Größe Istanbuls war nicht gerade die gesündeste. Hier lebten zehn Millionen Menschen in einem chaotischen Durcheinander, hinzu kamen Abgase und die dünne Ozonschicht in der Stratosphäre. Wenn man sich schnäuzte, war das Taschentuch schwarz vor Staub.
    Aber all das störte ihn nicht. Es gefiel ihm in Istanbul. Ein Teil seiner Seele hatte hier Wurzeln geschlagen.
    Er war sich vollkommen im Klaren über die jüngsten Ereignisse. Die Gedanken und Kommentare seiner Frau hatte er so verinnerlicht, dass sie genauso gut neben ihm hätte sitzen können. So war es häufig, wenn zwei Menschen ein langes Leben miteinander teilten. Man raufte sich immer wieder zusammen, im Guten wie im Schlechten.
    Eigentlich hatte er jetzt gar keine Lust, an seine Frau zu denken, aber er durfte nicht vergessen, sie abends anzurufen, um ihr zu sagen, dass er noch ein paar Tage bleiben würde. Als sie am Vortag nach Schweden zurückgefahren war, hatte er seine Rückreise für Dienstag angekündigt, aber eigentlich schon gewusst, dass er bis nächsten Samstag bleiben würde, also noch eine ganze Woche länger.
    Es widerstrebte ihm jedoch, das unumwunden zuzugeben. Sie hätte ihn angestarrt und wortlos eine Erklärung gefordert. Da war es einfacher, sie anzurufen und zu behaupten, ein alter, guter Freund aus Syrien sei zufällig in Istanbul aufgetaucht. Vermutlich war sie dann schon wieder derart beschäftigt, dass sie nur sagen würde: »Mach, was du willst, Carl-Ivar, solange du nur gesund wieder nach Hause kommst …« Wahrscheinlich klang ihre Stimme nicht einmal sonderlich verärgert, vielleicht eine Spur müde, als würde sie mit einem Kind sprechen, das um Süßigkeiten bettelt.
    Eigentlich hätte sie ihn mit der Zeit auch irgendwann durchschauen müssen. Andererseits sahen die Menschen immer nur das, was sie sehen wollten.
    Außerdem waren sie keine kleinen Kinder mehr, weder er noch Birgitta. Man muss das Leben genießen, solange es andauert, dachte er wehmütig, während eine Meeresbrise in seiner Nase kitzelte.
    Er ging auf die siebzig zu. Er lebte gerne. Sehr gerne sogar. Es gab noch vieles, worauf er sich freuen konnte. Er musste vernünftig leben und etwas gegen seinen Bauch unternehmen.
    Mit einem Mal meinte er einen tadelnden Seitenblick seiner Frau zu spüren. Ärger stieg in ihm auf. Ihr kritisches Auge hatte auch vor seiner Schale mit Sahnejogurt beim Hotelfrühstück nicht haltgemacht. Mild und gut, aber hier in der Türkei zu fett. Das hatten ihm ihre Augen gesagt, das erkannte er mühelos. Gegen schwarze Oliven und die sonnengereiften Tomaten war hingegen nichts einzuwenden gewesen. Die türmte er immer auf seinen Teller, und sie sagte nichts. Auch nicht gegen die Gurke, den Schafskäse und den Honig. Gegen die Butter hatte sie ebenfalls nichts einzuwenden, offenbar hatte sie sie übersehen.
    Das Brot war jedoch zu weiß, keine Ballaststoffe. Das brachte sie so aus der Fassung, dass sie zu allen, die es hören wollten, gesagt hatte: »Gibt es hier wirklich kein anderes Brot?«
    Das kleine Wort »wirklich« war in seinem Gedächtnis hängen geblieben und störte ihn dummerweise immer noch, obwohl er jetzt in aller Ruhe auf der Fähre saß. Er sollte es besser wissen, als sich von ihrer Oberlehrer-Attitüde nerven zu lassen. Er hatte sich ein Sesambrötchen genommen, und sie setzten sich an einen braun lackierten Vierertisch. Dann frühstückten sie schweigend und kauten geräuschvoll.
    Er selbst wusste das türkische Frühstück sehr zu schätzen.
    Bei der Erinnerung an diese Episode musste er den Kopf schütteln, während er auf die Wellen starrte. Als wolle er endlich das Bild seiner Ehefrau verscheuchen. Aber der Ärger ließ sich nicht so einfach in die Flucht schlagen.
    Unser Leben verfolgt uns, dachte er philosophisch. Eine Expressfähre überholte; sie hießen in Istanbul Wasserbusse. Das graugrüne Wasser wurde von den Schiffsschrauben aufgewühlt, und ein brackiger Geruch stieg auf. Der Verkehr auf dem Marmarameer war dicht, ein ständiges Hin und Her der Fähren.
    Er kratzte sich mit seinem Zeigefinger unter dem Hemdkragen und änderte dann seine Sitzposition, ohne die Tuchfühlung mit der weichen Tasche neben sich auf
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