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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank
Autoren: Gunnar Staalesen
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konnte nicht verstehen, warum er nicht mehr hier bei mir wohnen wollte, zu Hause. Aber er suchte sich eine Wohnung in Stavanger, und da wohnt er, wenn er nicht – draußen ist.«
    »Ah so. Und wie oft hören Sie normalerweise von ihm?«
    »Er schreibt immer, wenn er an Land ist.« Sie zog ein kleines Notizbuch unter der Tischdecke hervor und blätterte darin. Die Seiten waren abgegriffen, eselsohrig. Es war ein Buch, in dem sie oft blätterte. »Jetzt ist er zehn Tage draußen gewesen, und dann sollte er zehn Tage an Land sein, und er war … Er müßte jetzt seit sechs Tagen an Land sein, und ich hab noch nichts … Wenn er drei Wochen zu Hause – drei Wochen an Land ist –, dann kommt er meistens ein paar Tage her, aber wenn es nur zehn Tage an Land sind, dann bleibt er da unten.«
    Ich sagte beruhigend: »Aber dann hat er vielleicht viel zu tun, andere Dinge, meine ich?«
    Sie sah mich verständnislos an. »Aber was denn?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Junge Männer in dem Alter …«
    »Junge Männer in dem Alter!« schnaubte sie. »Außerdem ist er nicht in seiner Wohnung.«
    »So?«
    »Nein, ich habe jeden Tag seine Wirtin angerufen, die letzten drei, vier –, und sie hat gesagt, daß niemand antwortet, wenn sie klingelt. Gestern – gestern hab ich gefragt, ob sie nicht aufschließen könnte, ob sie nicht einen Extraschlüssel hätte …«
    »Ja?«
    »Und dann hat sie zurückgerufen, und dann … Es war niemand da. Die Wohnung war ganz leer. Sie fing an, von der Miete zu reden.«
    »Das haben Wirtinnen so an sich. Hat er sich vielleicht einfach einen kleinen Urlaub gegönnt?« fragte ich leichthin. »Die Leute auf den Plattformen – die verdienen nicht gerade wenig.«
    »Nicht ohne mir Bescheid zu sagen. Das würde er nie tun. Nicht Arne.«
    »Also …«
    »Nein.«
    Nach einer kleinen Pause sagte ich: »Und das letzte Mal, daß Sie von ihm gehört haben, das war also …«
    »Er war zehn Tage draußen gewesen und sollte seit fünf oder sechs zu Hause sein. Und er hat geschrieben, unmittelbar bevor er das letzte Mal rausfuhr, das sind also – fünfzehn, sechzehn …«
    »Sie haben nicht vor, die – Polizei zu fragen?«
    Sie sah mich widerwillig an. »Warum, glauben Sie wohl, habe ich Sie angerufen?«
    »Wenn er wirklich verschwunden sein sollte – dann haben die den größeren Apparat. Sie können ihn in Null Komma nichts finden. Ich bin – nur einer.«
    »Aber ich will nicht … Wenn – wenn es nichts Ernstes wäre. Es wäre so unangenehm – für ihn.«
    »Also Sie meinen – Sie glauben also, daß er möglicherweise doch irgendwohin gefahren sein könnte, ohne Ihnen Bescheid zu sagen?«
    »Nein!« sagte sie schroff. Und dann, fast nachdenklich: »Es sähe ihm so gar nicht ähnlich …«
    Ich seufzte. »Wissen Sie, ob er … Vielleicht hat er eine – Freundin?«
    Sie schüttelte den Kopf, mit verkniffenem Mund. »Nein. Davon hat er nie was geschrieben.«
    »Aber vielleicht hat seine Wirtin – Wirtinnen pflegen so was zu wissen.«
    »Es sähe ihm so …«, begann sie. Dann unterbrach sie sich und beugte sich über den Tisch nach vorn. »So was erzählen sie Müttern nicht. Deshalb möchte ich, daß Sie nach Stavanger fahren, mit seiner Wirtin reden, dem Arbeitgeber, anderen, die ihn kennen – versuchen, ihn zu finden – für mich …«
    »Ihre Tochter – könnte sie vielleicht etwas wissen?« Ich wandte mich automatisch halb dem Bild hinter mir zu, als könnte ich direkt von dort eine Antwort bekommen.
    Sie sagte mit leerer Stimme: »Meine Tochter ist tot. Sie starb vor – fast acht Jahren.«
    »Oh, Entschuldigung – ich …«
    »Ist schon gut. Man kann ja nicht wissen … Es kommt ja nicht so häufig vor, daß Menschen – so früh sterben.«
    Es wurde still in der dunklen Stube. Ihr Gesicht war wie aus knorrigem Holz geschnitzt. Dunkle Schichten lagen unter der Haut, in die sich die Sorgen eingegraben hatten.
    Ich sagte: »Es wird – einiges kosten. Ich muß sicher ein paar Tage da unten bleiben, und ich brauche Geld für die Reise, Geld fürs Hotel, für Essen, vielleicht einen Leihwagen, Telefonate … Und dann das übliche Tageshonorar. Es wäre billiger, wenn Sie die Polizei …«
    »Ich will nicht, daß die Polizei …«, stieß sie heftig hervor. Ruhiger sagte sie: »Ich habe Geld. Es gibt nichts anderes, für das ich es brauchen könnte. Wollen Sie einen Vorschuß?«
    Ich nickte leicht. »Geben Sie mir nur – seine Adresse.«
    Sie gab sie mir. »Und seine Wirtin heißt – Frau
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