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Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Titel: Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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Freunde
    Ein herrlicher Wein.«
    Giuliano Cesarini schnalzte mit der Zunge und setzte den wertvollen Glaskelch wieder ab. Er rutschte in dem gemütlichen Sessel noch ein wenig tiefer. Wohlig schnaufend streckte er seine müden Glieder. Er schloss die Augen und genoss die wärmende Abendsonne, die ihm ins Gesicht schien. Immer wieder trieb ein erfrischender Windhauch den Duft von wohl riechenden Pflanzen herüber. Dieser Garten war ein kleines Paradies. Die Ruhe, der Anblick der Beete mit der überbordenden Blütenpracht, dazwischen die Schatten spendenden Kastanien- und Walnussbäume. Es war die ersehnte Erholung nach der langen und anstrengenden Reise durch halb Europa. Kaum zu glauben, dass er nicht mehr in Rom war, sondern viel weiter im Norden, in Trier, und hier mit seinem Freund Nikolaus Krebs einen Krug feinsten Rotweins leerte.
    »Jetzt geht es mir langsam besser«, stellte Giuliano mit einem zufriedenen Lächeln fest. »Jetzt bin ich bereit, deinen detaillierten Bericht zu hören.«
    »Das wird aber ein langer Abend.«
    »Wenn du noch mehr von dem köstlichen Tropfen hast, wird es mir nichts ausmachen.« Damit hielt er seinem Freund sein Trinkgefäß entgegen.
    Nikolaus schenkte nach. »Dann spitz deine Ohren. Du wirst kaum glauben, was passiert ist.«
    »Nach den Andeutungen in deiner Botschaft kann mich nichts mehr erschüttern.«
    Nachdem Nikolaus vor zwei Wochen einen Eilbrief nach Rom geschickt hatte, war der Gesandte des Papstes innerhalb kürzester Zeit an Ort und Stelle gewesen. Giuliano war heute Nachmittag angekommen und sofort in Nikolaus’ Unterkunft geführt worden. Dass sich die beiden jungen Männer seit der Studienzeit in Padua gut kannten, hatte wohl den Ausschlag für die Auswahl dieses Gesandten gegeben.
    Nikolaus wollte gerade zu sprechen ansetzen, als Giuliano fragte: »Was ist denn aus dem Gefangenen geworden, der die Sache bezeugen kann?«
    »Tja, das ist leider ein unerfreulicher Aspekt.« Er räusperte sich, um seine Verlegenheit zu überspielen. »Er ist tot.«
    »Was?« Giuliano richtete sich abrupt auf. »Wann?«
    »Vorgestern.«
    »Wie konnte das denn passieren?«
    Nikolaus rieb sich den Nacken. »Er soll sich im Gefängnis erhängt haben.«
    »Soll?«
    »Richtig.«
    »Du hast Zweifel?«
    »Der Dompropst wollte unbedingt die Namen der Hintermänner bekommen und ließ ihn barbarisch foltern. Ihm sollen beide Füße zerquetscht, beide Arme ausgekugelt und verschiedene Finger gebrochen worden sein.«
    Der italienische Freund hob erstaunt die Augenbrauen. »Ich ahne.«
    Nikolaus lächelte. Es war ein verzweifeltes Lächeln, denn die Situation war alles andere als lustig. »Ich habe tatsächlich gesehen, wie der Tote mit einem Strick um den Hals am Gitter des Kerkerfensters hing. Der Hocker, von dem er sich gestürzt hatte – oder sagen wir besser: gestürzt haben soll –, lag umgeworfen auf dem Boden.«
    Giuliano verstand. »Und das mit gebrochenen und ausgerenkten Gliedern? Wie hat er den Strick zu einer Schlinge knüpfen können? Wie sich überhaupt auf den Hocker stellen können?«
    Nikolaus sagte nichts. Die Sache war zu offensichtlich.
    Der Freund grübelte weiter: »Woher kam der Strick?«
    »Vielleicht lag er im Kerker oder der Kerl war damit gebunden gewesen.«
    Nachdenkliches Schweigen breitete sich aus.
    »Kannst du deinen Verdacht beweisen?«, fragte Giuliano schließlich.
    Nikolaus schüttelte den Kopf. »Sollte ich das denn versuchen?«
    Die beiden Freunde schauten sich lange an. Trotz der Verbundenheit saßen sich hier immerhin der Abgesandte des Papstes und der Jurist des Kurfürsten von Trier gegenüber. Beide waren ihrem jeweiligen Herrn verpflichtet. Die Frage war, ob sich die unterschiedlichen Interessen vereinbaren ließen.
    Unvermittelt fragte Nikolaus: »Hast du etwas damit zu tun?«
    Trotz dieser ungeheuerlichen Anschuldigung blieb der Italiener erstaunlich ruhig. Vielleicht war die Frage doch nicht so abwegig gewesen. »Mein Auftragsmörder muss dann schneller gereist sein als ich. Ich habe ja erst vor acht Tagen von deiner Botschaft gehört.«
    »Sollte aber möglich sein.«
    Giuliano hielt kurz die Luft an und blickte ins Leere. Dann nickte er kurz. »Sì. Möglich auf jeden Fall. Wer hätte sonst noch Interesse daran?«
    »Es kommt darauf an. Entweder wollte jemand, dass nicht noch mehr ans Licht kommt ...«
    »Deshalb hast du mich also in Verdacht.«
    »Unter anderem. Schließlich bist du Kammerauditor 6 an der Kurie 7 . Die Geschichte betrifft immerhin
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