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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers
Autoren: Philipp Vandenberg
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herumgehurt und wertlose Knöchlein von »Heiligen« gesammelt, die zeitlebens so heilig waren wie eine Schlachtsau.
    Bleiben der Schwarzkünstler Johannes Faust und sein Auftraggeber Erasmus von Rotterdam. Als Faust, der Horoskope schlagende Scharlatan, vor ein paar Jahren das Zeitliche segnete, weinte ihm keiner eine Träne nach. Sogar Erasmus, der erlauchte Gelehrte, der gemeinsame Sache mit ihm machte, wurde an seiner Trauer gehindert, denn er schied wenige Tage nach ihm aus dieser Welt. Ich bin mir nicht sicher, ob Faust, der dem Teufel näherstand als jeder Mensch auf dieser Erde, die ›Bücher der Weisheit‹ an seinen Auftraggeber weitergegeben hätte. Hätte er sie gefunden, er hätte sich selbst ihres Inhalts bedient und die Neun Unsichtbaren verlacht, weil einer von ihnen ausgerechnet ihn, den größten unter allen Betrügern, mit dieser Aufgabe betraute.
    Die Neun Unsichtbaren machten nicht mehr von sich reden. Zwar brachte es jeder auf seinem Gebiet zu Ruhm und Ehre, aber als Gemeinschaft hatten sie ihre Aufgabe verloren. Betrachtet man das Schicksal jener drei ›Unsichtbaren‹, deren Zugehörigkeit zu dem Geheimbund außer Frage steht, so bestätigen sie meine Bedenken, ob es nicht besser ist, dass die ›Bücher der Weisheit‹ ein für allemal aus dem Gedächtnis der Menschheit verschwunden sind. Der Große Rudolfo fiel einem Attentat zum Opfer. Der kerngesunde Abt Trithemius erlag innerhalb weniger Tage einem rätselhaften Leiden. Und Papst Clemens schied nach nur zehnmonatigem Pontifikat auf der Reise nach Rom aus dem Leben. Es scheint, als hätte ein Fluch über den geheimen Büchern gelegen und als wären sie eher geeignet gewesen, die Welt zu zerstören, als uns Menschen bessere Zeiten angedeihen zu lassen.
    Was die Frau des Seiltänzers betrifft, will ich nicht verschweigen, dass ich Magdalena verehrt, ja, heimlich geliebt habe. Aber ich war nun einmal kein berühmter Seiltänzer wie der Große Rudolfo. Auch fehlte es mir an der Geschäftstüchtigkeit des Fugger-Gesandten Matthäus Schwarz.
    Dass meine äußere Erscheinung beiden unterlegen war, steht außer Frage – obwohl die Erfahrung lehrt, dass gerade die schönsten Frauen von Männern, die von der Natur benachteiligt wurden, eher angezogen werden als umgekehrt.
    Die Ursache dafür ist wohl ein Naturgesetz wie das der zwei Magneten, deren gleiche Pole sich abstoßen, während die ungleichen sich anziehen. Bei mir kam dieses Gesetz wohl nicht zum Tragen. Aber wer vermag schon gültige Aussagen über die Liebe zu machen? Das ist so unsinnig wie die Erforschung der Beweggründe menschlichen Handelns, das stets von unterschiedlichsten Motiven gelenkt wird.
    Meine Leidenschaft als Geschichtenerzähler rührt wohl daher, dass Gaukler und Jahrmärkte eine magische Anziehungskraft auf mich ausüben. Das war nicht immer so. Vielleicht hege ich jainsgeheim die unsinnige Hoffnung, aus einem der Gauklerwagen könne eine Frau im grünen Kleid heraustreten, anmutig und selbstbewusst: Magdalena.

DIE FAKTEN
    1 525, von Mai bis September – das ist die Zeit, in der der Roman »Die Frau des Seiltänzers« spielt. Es ist die Zeit des ausgehenden Mittelalters und der Beginn der Renaissance. Aber auch die Zeit der Reformation und der blutigen Bauernkriege.
    Nach Berichten alter Chroniken zogen in dieser Zeit vermehrt Gauklertruppen durch das Land, um das verängstigte Volk wieder aus den Häusern zu locken, vor allem entlang des Mains und seiner Nebenflüsse. Dort wurden die Kämpfe mit besonderer Härte und Grausamkeit geführt.
    Auch in den Klöstern, die nirgends so zahlreich sind wie zwischen Bamberg und Mainz, herrschten unruhige Zeiten. Mönche und Nonnen lehnten sich gegen ihre Ordensoberen auf, weil sie ihre Tage oft gegen ihren Willen hinter den Klostermauern verbrachten. Und der römische Papst, die Kardinäle und Fürstbischöfe waren alles andere als Vorbilder für ein christliches Leben in Demut und Keuschheit. Sie führten öffentlich ein Lotterleben, dass Gott erbarm.
    MAGDALENA, die Heldin des Romans, ist eine fiktive Figur. Eine Fiktion ist auch das Kloster SELIGENPFORTEN. Anders die Klöster EBERBACH und SANKT JAKOBUS in Würzburg. Letzteres wurde jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört.
    Auch DER GROSSE RUDOLFO entsprang, wie alle Gaukler seiner Truppe, der Phantasie. Sie alle agieren jedoch in einem historischen Umfeld und mit bekannten Personen der Zeitgeschichte.
    Da ist einmal der Bildhauer TILMAN RIEMENSCHNEIDER, dem Magdalena in
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