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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition)
Autoren: Guido Knopp
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Vorwort
     
    »Ein Souvenir für dich« – mit diesen lapidaren Worten verabschiedete sich 1945 ein Berchtesgadener Bergführer von einem amerikanischen GI und drückte ihm zwei Filmrollen in die Hand. Der Soldat maß dem seltsamen Geschenk zunächst keine Bedeutung zu. Erst Jahrzehnte später spielte er im heimischen Ohio beide Rollen ab. Was sich ihm da eröffnete, war die private Welt des Mannes, der als zweiter Mann im »Dritten Reich« galt und den Amerikanern bei den Nürnberger Prozessen als »Nazi Nummer eins«: Hermann Göring.
    Die Aufnahmen zeigen den üppig ausstaffierten Reichsmarschall in knalligem Kodakbunt. Gedreht wurden sie unter anderem nach dem »Anschluss« Österreichs 1938. In Mauterndorf, wo er als Junge im Schloss seines Patenonkels oft zu Besuch war, ist Hermann Göring im Gespräch mit österreichischen Diplomaten und Naziführern zu sehen. Die Bevölkerung des Ortes begrüßt den berühmten »Heimkehrer« wie einen Fürsten im Mittelalter. An seiner Seite lächeln Görings Schwestern Paula und Olga in die Kamera. Andere Bilder zeigen ihn, wie er mit erhobenem Marschallstab Einzug in Linz hält, wie er sich in der Phantasiekluft des »Reichsjägermeisters« in einer Pferdekutsche durch seine Ländereien chauffieren lässt, oder wie er Geheimverhandlungen mit Diplomaten in einem Waldstück bei Berlin führt.
    Auf einigen Bildern aber fehlt der Reichsmarschall, der sich stets in den Mittelpunkt stellte. Die Auswahl der Filmmotive – Hirsche mit prachtvollen Geweihen, die Pflanzenwelt im Garten seiner Residenz »Carinhall« in der Schorfheide bei Berlin, seine Motoryacht Karin II . auf offener See vor Helgoland – spricht Bände. Göring hat die Aufnahmen selbst gedreht. In eitlem Besitzerstolz bannte er seine Reichtümer auf Film, um sie sich in schlechten Zeiten immer wieder in seinem Privatkino in Carinhall vorführen zu lassen. Die Bilder zeigen, was demjenigen, der in einer unerhörten Ämterhäufung die Verantwortung für einen großen Teil des Kriegsgeschehens trug, wirklich wichtig war: sein Haus, seine Tiere, seine Motoryacht! Die Aufnahmen dokumentieren den banalen Blick eines Mannes, dessen Name mit monströsen Verbrechen verknüpft ist.
    Das vorliegende Buch beruht auf Recherchen für ein Filmprojekt, das in drei Teilen die schillerndste Figur des Nazireichs porträtiert: Hermann Göring war ein Mann mit vielen Gesichtern. Er war eitel, verschlagen, brutal wie kaum ein anderer der Paladine Hitlers, und doch war er im NS-Reich populärer als sie alle, zeitweise sogar beliebter als Hitler selbst. Hermann Göring war die »joviale Maske des Regimes«: volksnaher Haudegen und skrupelloser Machtmensch. Er verbarg die gewalttätigen Züge seines Wesens hinter launiger Leutseligkeit und war doch in jede große Unrechtsaktion des Regimes verwickelt. Die Terrormaßnahmen des Staates im Zuge der »Machtergreifung« waren ebenso sein Werk wie die Morde nach dem inszenierten »Röhm-Putsch« 1934 und die ersten Konzentrationslager. Er war mitverantwortlich für die Verschleppung ausländischer Zwangsarbeiter und den Judenmord. Frei von Zweifeln gab er offen zu, gewissenlos zu sein. »Ich habe kein Gewissen. Mein Gewissen heißt Adolf Hitler.«
     
    Schon früh zeigten sich die egomanischen Züge seines Charakters. »Hermann wird entweder ein großer Mann oder ein Krimineller«, hatte bereits die Mutter orakelt. Auch der junge Fliegerleutnant machte aus seinem ungeheuren Ehrgeiz kein Geheimnis. »Ich will kein Alltagsmensch sein. Kampf ist und bleibt für mich die Lebensbedingung, sei es in der Natur oder mit den Menschen. Ich will aus der Menschenherde herausragen, nicht ich werde ihnen, sondern alle sollen mir folgen. Das walte Gott«, schrieb er 1915 in einem Liebesbrief an seine Freundin. Es war die Hoffnung auf eine große Karriere, die ihn nach der Niederlage des Ersten Weltkriegs und den Wanderjahren als Fliegerass a. D. im Herbst 1922 an die Seite Hitlers führte. Wie dieser wollte er die Chance nutzen, die sich aus dem politischen Chaos in den frühen Jahren der Weimarer Republik ergab, wie dieser hatte er nichts zu verlieren: »So war ich – ich habe ja keinen Hehl daraus gemacht – von Anfang an bereit, mich an jeder Revolution zu beteiligen, gleichgültig, wo und vom wem sie ausging, außer wenn sie von links gekommen wäre«, bekannte er freimütig 23 Jahre später als Angeklagter im Nürnberger Prozess. Auf der anderen Seite ergriff Hitler gerne die Hand, die ihm Göring
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