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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers
Autoren: Philipp Vandenberg
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Schultheiß unsicher.
    »So ist es.« Wie stets legte Schwarz ungewöhnliche Gelassenheit an den Tag.
    »Und was führt Euch in unsere Stadt? Was habt Ihr vor allem zu dieser Gerichtsverhandlung beizutragen?«
    »Was Eure erste Frage betrifft, Herr Schultheiß, muss ich schweigen. Schon immer hat Diskretion die Fugger ausgezeichnet. Was Eure zweite Frage betrifft, erlaubt mir zu berichten, was ich gestern nach meiner Ankunft im Gasthaus ›Zum wilden Mann‹ erlebt habe.«
    »So nennt Euren Namen, Eure Profession und Eure Herkunft – nur um dem Gesetz Genüge zu leisten – und tretet vor.«
    Ohne Magdalena und Schweinehirt auch nur eines Blickes zu würdigen, trat der Abgesandte der Fugger neben die Angeklagten und sagte: »Mein Name ist Matthäus Schwarz, als Hauptbuchhalter zuständig für die Finanzen der Fugger Raymund und Anton, in Augsburg wohnhaft, wenngleich häufig unterwegs, um die Zinsschulden meiner Herren einzutreiben.«
    Die Zuhörer feixten und pufften sich in die Seiten, denn ein jeder wusste, wem der Besuch des Fuggerschen Abgesandten galt: Fürstbischof Weigand von Redwitz.
    »Was also habt Ihr zur Klärung des Verfahrens beizutragen?«, drängte der Schultheiß.
    Da begann Schwarz: »Als ich mich am gestrigen Abend in meiner Kammer im ›Wilden Mann‹ zur Ruhe legte, wurde ich unfreiwillig Zeuge einer Auseinandersetzung in der Kammer nebenan. Sie gipfelte darin, dass ein Mann dem anderen zum Vorwurf machte, ein Paar umgebracht zu haben, was dieser nicht abstritt. Er schalt die ermordete Frau eine Hexe und den Mann einen Ungläubigen. Schließlich gestand der Mörder sogar, einen Brand in der ›Hölle‹ gelegt zu haben – was immer er damit gemeint haben mag.«
    »Kennt Ihr die Namen der Übeltäter?«
    Schwarz nickte. »Der eine ist in Kreisen der frommen Wissenschaften kein Unbekannter. Sein Name ist Erasmus von Rotterdam, Doktor der Theologie und einer der wenigen Theologen, die bei den Fuggern keine Schulden haben. Der andere, den dieser der Morde bezichtigte, nennt sich Doktor Johannes Faust, ein Schwarzkünstler und Horoskopsteller aus Kreuznach.«
    Als hätte Schwarz in ein Wespennest gestochen, brach im Gerichtssaal ein Summen, Murmeln und Brodeln aus, gegen das auch die Ermahnungen des Schultheiß nichts auszurichten vermochten. So kam es, dass die meisten nicht mitbekamen, wie der Schultheißen die Schergen beauftragte, Johannes Faust und Erasmus im Gasthaus ›Zum wilden Mann‹ festzunehmen und umgehend vor die Schranken des Gerichts zu überführen. So lange sei die Verhandlung unterbrochen.
    Vergeblich warf Magdalena Matthäus Schwarz flehende Blicke zu, er möge sich ihr zuwenden, nur ein einziges Wort sagen. Doch der blickte stur geradeaus.
    Warum straft er mich?, dachte Magdalena. Er war es doch, der mich in Eberbach zurückließ.
    Kaum merklich drängte sie sich näher an den Abgesandten. Ohne ihn anzusehen, raunte sie: »Ist das alles wahr?«
    Schwarz antwortete, an ihr vorbeiredend: »Die Lage ist zu ernst, um Unwahrheiten zu verbreiten.«
    Schweinehirt entging nicht, wie Magdalena und der Fuggerabgesandte Worte wechselten. Doch die Unruhe im Gerichtsaal verhinderte, dass er auch nur ein Wort verstand. Auch Schweinehirt hegte Zweifel, ob die Aussage des Abgesandten der Wahrheit entspräche. Aber hatte er Magdalena nicht schon einmal aus den Fängen der Inquisition befreit?
    Beinahe eine Stunde verstrich, bange Augenblicke, bis die Schergen vom Gasthaus ›Zum wilden Mann‹ zurückkehrten. Doch statt Erasmus von Rotterdam und Doktor Faust befand sich nur der Wirt in ihrer Begleitung.
    Vor dem Schultheiß klagte er, hätte er gewusst, welch niederträchtigen Menschen er ein Dach über dem Kopf böte, so hätte er sie aus dem Haus gewiesen. So aber seien die Halunken ihm zuvorgekommen. Übereilt und unbemerkt hätten sie den ›Wilden Mann‹ verlassen und ihre gesamte Habe zurückgelassen.
    Während der Rede des feisten Wirts hatten die Schergen eine Drahtschlinge, zerfledderte Papiere, eine Flasche rätselhaften Inhalts und stinkende Kleidung auf den Richtertisch gelegt. Die Gaffer im Saal reckten die Hälse.
    Die Marktweiber, bei denen der Prozess besonderes Interesse fand, hielten sich, obwohl an Gestank gewöhnt, die Nasen zu. Und der Apotheker vom ›Sand‹, ein spindeldürres Männchen mit Augengläsern auf der Nase, rief: »Leuchtöl aus der Sankt Quirinsquelle vom Kloster Tegernsee! Ich erinnere mich! Ein fremder Mann hat es vor ein paar Tagen bei mir gekauft.
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