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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers
Autoren: Philipp Vandenberg
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sagte, koste es, was es wolle, meinetwegen tausend Goldgulden. Ich sagte nicht, Ihr sollt Menschen erwürgen oder ersäufen.«
    Schweigen.
    »Wo sind die Bücher?«
    »Im Dom. Wo, weiß ich nicht. Noch nicht. Ihr müsst noch ein paar Tage Geduld haben. Vielleicht ein paar Wochen.«
    »Ein paar Wochen? Ihr seid verrückt. Ich gebe Euch fünf Tage …«
    Der weitere Verlauf des Gesprächs ging im Lärm umfallender Stühle, heftiger Schritte und keuchendem Atem unter, als fände ein Ringkampf statt.
    Vergebens versuchte Schwarz sich einen Reim auf das Gehörte zu machen. Wer waren die Männer? Er erhob sich, schlüpfte in sein Wams und begab sich nach unten, wo in einer Wandnische neben dem Eingang das aufgeschlagene Fremdenbuch lag.
    Der letzte Eintrag bestand aus seinem Namen. Darüber waren zwei weitere verzeichnet: Erasmus von Rotterdam, Doktor der Theologie und Schriftsteller, auf Durchreise; und: Doktor Johannes Faust, Horoskopsteller, Schwarzkünstler und ehemaliger Schulmeister zu Kreuznach, auf Durchreise.
    Eilends suchte der Fugger-Abgesandte wieder seine Kammer auf. Schlaf fand er in dieser Nacht nicht.
    Die Gefangennahme des fremden Bibliothekars und seiner Buhlschaft erregte die Bamberger diesseits und jenseits des Flusses aufs Äußerste. Menschentrauben versammelten sich vor dem Amtshaus des Schultheißen, der von Fürstbischof Weigand mit der Wahrnehmung der niederen und höheren Gerichtsbarkeit betraut war. In Sprechchören forderten sie die sofortige Aburteilung und Hinrichtung des Mörderpaares.
    Wie geplant begann der Prozess am fünfzehnten Tag des ersten Herbstmonats, eine willkommene Abwechslung im täglichen Einerlei der kleinen Stadt. Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz besetzt. Sogar in den Fensternischen hingen die Menschen und warteten sensationslüstern auf den Beginn der Verhandlung. Deren Ausgang schien nur noch eine Formsache zu sein.
    Vor dem Amtshaus auf dem Markt errichteten die Zimmerleute bereits das Galgengerüst. Entgegen dem Brauch, Verbrecher vor den Mauern der Stadt vom Leben zum Tode zu befördern, hatte der Fürstbischof angeordnet, den Doppelmord und die Brandstiftung, welche nach dem Gesetz nicht weniger streng geahndet wurde, für jedermann sichtbar auf dem Markplatz zu sühnen.
    Vom Kloster auf dem Michelsberg wehten acht Glockenschläge herüber, als der Schultheiß durch die Türe an der Frontseite den Gerichtssaal betrat. Im selben Augenblick zerrten vier Schergen Magdalena und Wendelin, an den Handgelenken gefesselt, durch eine Seitentüre vor die Schranken des Gerichts. Ihre Gesichter waren aschfahl. Den Blick hielten beide gesenkt. Es schien, als hätten sie sich ihrem Schicksal ergeben.
    Die Gaffer reckten die Köpfe und versuchten auf Zehenspitzen, einen Blick auf die Delinquenten zu erhaschen. Obwohl kein einziger Ruf nach Rache oder Vergeltung zu hören war, auch kein Spottgesang, die bei ähnlichen Anlässen oft erschallten, herrschte Unruhe im Saal, ein Flüstern und Raunen und Zischen.
    »Nenn deinen Namen, Herkunft und Beruf«, begann der Schultheiß die Verhandlung.
    »Wendelin Schweinehirt«, antwortete dieser und erntete damit hämisches Gelächter. »Zuletzt ging ich dem Beruf eines Bibliothekars in den Klöstern Eberbach und Sankt Jakobus in Würzburg nach.«
    »Und du?«, fragte der Schultheiß, an Magdalena gewandt.
    »Magdalena Beelzebub.« Sie drehte sich um in Erwartung ähnlich spöttischen Gelächters. Doch zu ihrer Verwunderung blieb dieses aus. Stumm starrten die Gaffer sie an. Da fuhr sie fort: »Bis vorwenigen Wochen war ich eine Gauklerin in der Truppe des Großen Rudolfo ohne festen Wohnsitz.«
    Erneut brach Unruhe aus. Eine Gauklerin aus der Truppe des Großen Rudolfo? Sein Name war in Bamberg wohlbekannt und viel bewundert. Im ›Sand‹, jenseits der Regnitz, hatte sein Vater einst eine Flickschusterei besessen. Der Sohn war nach dem Tod der Eltern aus der Stadt verschwunden und hatte sich einer Gauklertruppe angeschlossen. Dass er einmal weltberühmt werden würde, hatte damals niemand geahnt.
    Mit einem Holzhammer schlug der Schultheiß auf den Tisch und mahnte zur Ruhe. Dann verkündete er mit erhobener Stimme: »Ihr seid beide angeklagt, den Geheimschriftgelehrten Athanasius Helmont und seine Buhle Xeranthe ermordet zu haben. Bekennt ihr euch schuldig?«
    »Nein!«, rief Magdalena zornig. »Nie im Leben würde ich einen Menschen umbringen. Das könnte ich nicht.«
    »Aber du hast deinem Buhlen Beihilfe geleistet und den
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