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Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage

Titel: Die Finkler-Frage - Jacobson, H: Finkler-Frage
Autoren: Howard Jacobson
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Hoffnung blicken ließen, die Aufmerksamkeit von einem der wichtigeren Gäste zu erregen, einem Botschafter oder Parlamentsabgeordneten, einem der Honoratioren der Gesellschaft. »Schluss mit dem Massaker. Ein Ende dem Gemetzel. Tötet die Itzigs.« Doch alles wirkte ruhig und geordnet. Soweit er sehen konnte, war nicht einmal einer der ASCHandjiddn gekommen, um zerknirscht seine Unsolidarität mit dem eigenen Volk zu zeigen.
    Finkler? War Finkler drinnen oder draußen? Finkler, versteckt in der kleinen Menge, den rechten Zeitpunkt abwartend? Oder Finkler im Gebäude, Hephzibahs Ersatzmann, da ihr Freund sie versetzt hatte?
    Es war ein Finkler-Ereignis. Sam hatte weit mehr angestammte Rechte, dabei zu sein, als Treslove. Jedenfalls war er nicht draußen. Das da mussten Raucher sein, entschied Treslove. Oder Leute, die frische Luft schnappen wollten.
    Er ging um die Gruppe herum zum Eingang, an dem zwei Männer des Sicherheitsdienstes seine Einladung sehen wollten. Er hatte keine. Es gebe, erklärte er, auch gar keinen Grund, warum er eine bräuchte. Er sei kein Gast. Er sei quasi der Gastgeber.
    Einlass nur mit Einladung, wurde ihm geantwortet. Keine Einladung, keine Party. Er wies darauf hin, dass dies keine Party sei, sondern ein Empfang. Sehen Sie! – Woher sollte er wissen, dass es ein Empfang und keine Party war, wäre er nur ein Fremder, der Zoff suchte? Er konnte aufzählen, was in jedem Raum zu sehen war. Machen Sie schon, stellen Sie mich auf die Probe! Hephzibah Weizenbaum, die Direktorin des Museums, sei seine Lebensgefährtin. Vielleicht könnte ihr jemand sagen, dass er eingetroffen sei …?
    Sie schüttelten den Kopf. Er fragte sich, ob Hephzibah veranlasst hatte, dass er nicht eingelassen wurde, aber vielleicht hatten die Männer auch nur seine Alkoholfahne gerochen.

    »Lasst gut sein, Jungs«, sagte er und wollte sich an ihnen vorbeidrängen, durchaus nicht gewaltsam, eher wie jemand, der mit ironischem Lächeln durchschlüpfte. Der größere der beiden Kerle packte ihn am Arm.
    »He!«, rief Treslove. »Das ist ein tätlicher Angriff!«
    Er dreht sich um, da er hofft, ein mitfühlendes Gesicht zu entdecken. Vielleicht jemanden, der ihn kennt und dafür bürgen kann, dass er die Wahrheit sagt. Doch blickt er nur in die wilde Miene des angegrauten, kämpferischen Juden mit Palästinensertuch, der sein Motorrad stets im Vorhof jener Synagoge parkt, die Treslove von Hephzibahs Dachterrasse sehen kann. Ach, denkt er. Ach! Jetzt versteht er. Diese Leute sind also doch keine Raucher, keine Empfangsgäste, die mal Luft schnappen wollen. Sie halten stumme Mahnwache. Eine Frau reckt das vergrößerte Foto einer arabischen Familie in die Höhe, Vater, Mutter, ein Baby. Neben ihr hält ein Mann eine Kerze in der Hand. Vielleicht sind sie selbst Araber, aber das gilt nicht für alle. Der angegraute Biker mit Palästinensertuch zum Beispiel, der ist kein Araber.
    »Also was soll das hier?«, fragt Treslove.
    Sie ignorieren ihn. Keiner will Ärger. Der Mann vom Sicherheitsdienst, der Treslove am Arm gepackt hat, spricht ihn erneut an. »Ich muss Sie bitten weiterzugehen, Sir«, sagt er.
    »Sind Sie Jude?«, fragt Treslove.
    »Wie bitte?«, antwortet der Mann von der Security.
    »Ich habe Ihnen nur höflich eine Frage gestellt«, sagt Treslove. »Denn wenn Sie Jude sind, möchte ich doch gern wissen, warum Sie diese Demonstration zulassen. Das hier ist schließlich keine Botschaft. Und wenn Sie kein Jude sind, will ich wissen, was Sie hier überhaupt zu suchen haben.«
    »Das ist keine Demonstration«, sagt der Mann mit der Kerze. »Wir sind einfach bloß hier.«
    »Einfach bloß hier? Das sehe ich«, erwidert Treslove. »Aber warum sind Sie einfach bloß hier? Dies ist ein jüdisches Museum,
ein Ort zum Studieren und Reflektieren, jedenfalls nicht das verfluchte Westjordanland. Wir sind hier nicht im Krieg.«
    Jemand hält ihn fest. Wer, weiß er nicht genau. Womöglich halten ihn zwei Leute fest. Vielleicht die Sicherheitsleute, vielleicht auch nicht. Treslove weiß, wo dies enden wird. Er hat keine Angst. Der sephardische Junge hatte keine Angst; er wird auch keine Angst haben. Er sieht das müde, altkluge Gesicht vor sich. »Es ist ein Jude!« So ist das eben. Er sieht, wie das Schulmädchen sich die Schnürsenkel bindet. »Freak!«
    Er schlägt um sich. Ihm ist egal, wen er trifft. Oder wer ihn trifft. Wenn schon, dann wäre ihm der Verräter im Palästinensertuch recht. Wenn nicht, dann nicht. Doch drängt
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