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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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anderen sagen;
aber Hans macht ihnen ein Zeichen. Trotz der frühen Stunde verabschiedet er
sich und stiefelt hinaus.
    Damit ist der Bann gebrochen. Professor
Crey wird gesprächig. Jetzt hat er auch ein Thema. „Der Schöler Pfeiffer est
necht ohne Begabong. Aber sähr, sähr kendlich noch, und treibt vähl Förlefanz.“
Er erzählt die Heidelbeergeschichte und andere Taten, gesehen von der Seite des
Lehrers. Die drei Feuerzangenherren sind erschüttert, wie sich aus dieser
Perspektive alles ganz anders ausnimmt. Es ist gar nicht mehr zum Lachen.
    Inzwischen wird kräftig weitergezecht,
nach Babenberger Ortsgebrauch zu jedem Glas Bier ein Doppelkorn und zu jedem
dritten Glas ein Schinkenbrot; der Doppelkorn gegen das kalte Bier und das
Schinkenbrot gegen den starken Doppelkorn. In der Kleinstadt wird Saufen zur
Wissenschaft. Man hat nichts Besseres.
    Der Schnauz wird allmählich warm. Alles
Steifleinene fällt nach und nach von ihm ab; zunächst der Professor, dann der
Doktor, dann der Oberlehrer. Und übrig bleibt der Mensch Crey. Ein ganz
prächtiger Mensch, voll Güte und Menschenliebe. Und ein ganz vernünftiger
Mensch, mit großem Wissen und klugen Gedanken. Die Berliner Herren verstehen sich
köstlich mit ihm. Sie begreifen gar nicht, wie Pfeiffer ihn zur Karikatur
machen kann. Auch seine Aussprache wurde von Glas zu Glas natürlicher und war
schließlich von der eines normalen, leicht bezechten Bürgers nicht mehr zu unterscheiden.
    Als Fritz an den Tischen die
Aschenbecher und Tischtücher abgenommen und die Stühle auf die Tische getürmt
hatte, gingen die Herren, mit stattlicher Bettschwere versehen, nach Hause.
     
    *
     
    An eben dieser Bettschwere allerdings
hatte es Hans Pfeiffer gefehlt, als er sich um zehn Uhr von ihnen
verabschiedete. Er wußte auch gar nicht recht, warum er ging. Er lief wieder
planlos durch die Stadt.
    Die Straßen von Babenberg sind um zehn
Uhr abends tot. Nur ab und zu eine Dienstmagd, die den herrschaftlichen Köter
an die Luft führt und sich von Baum zu Baum zerren läßt. Oder im Schattenkegel
einer Laterne ein kaum sichtbares Liebespärchen. Oder eine Katze, die wie ein
Schatten über die Straße wischt und in einem Kellerloch verschwindet. Dazu vom
Fluß eine weiche, kühle Nachtluft. In der Ferne ein Hund, der jault. Ein
Fenster, das klirrend geschlossen wird.
    Sonst ist alles still. Man kann seine
Gedanken hören.
    Hans steht plötzlich vor dem Gymnasium.
    Was wollte er hier? Nichts. Wie kam er
her? Er weiß es nicht. Es muß ein Magnet sein.
    Der breite Kasten ist tot und dunkel.
Nur am linken Flügel im zweiten Stock zwei erleuchtete Fenster: Knauers
Wohnzimmer.
    Hans steht davor und stiert hinauf. Da
also sitzt jetzt die Familie. Wahrscheinlich die Mama mit dem Lesezirkel; und
Eva spielt mit dem Vater Schach, muß sich einen Turm vorgeben lassen und
dennoch verlieren. So verlangt es die väterliche Autorität.
    Er war nicht gekommen, um Eva zu sehen.
Das war um diese Zeit ganz ausgeschlossen. Außerdem wollte er das auch gar
nicht. Auf keinen Fall! Aber es war ja immerhin möglich, daß Eva für den Vater
Bier holen muß. Das gibt es doch. Vielleicht hatte er Glück.
    Warum stand er hier? Und warum bekommt
Vater Knauer keinen Durst? Es war doch so warm heute.
    Allmählich tut ihm der Nacken weh; er
lehnt sich gegen die Häuserwand. Ein später Radfahrer surrt vorüber. Irgendwo
jammert ein Kind.
    Die Fenster sind immer noch hell. Aber
oberhalb, im dritten Stock, wird auch Licht. Es muß Evas Zimmer sein. Knauer
hat keinen Durst bekommen. Eva geht zu Bett.
    Das Licht in ihrem Zimmer bleibt. Im
Wohnzimmer ist es jetzt dunkel. Sie muß längst ausgezogen sein. Vielleicht
liest sie. Vielleicht ein Buch von ihm? So könnte er zu ihr sprechen, ohne daß
sie es weiß. Er zittert bei dem Gedanken. Immer noch Licht. Vielleicht liest
sie nicht — starrt gegen die Decke und ist traurig — und weiß, daß sie nicht
schlafen wird.
    „Sie da! Was machen Sie hier?“
    Es war der Nachtpolizist.
     
    *
     
    Als Professor Crey am nächsten Morgen
gegen halb acht erwachte, fühlte er einen perfiden Druck im Schädel und einen
faden Geschmack auf der Zunge. Was war gestern abend gewesen? Ah so — richtig.
Trinkfeste Leute übrigens.
    Schnauz blinzelt mühselig nach dem
Wecker. Erst halb sieben. Da hätte er ja noch ein halbes Stündchen. Merkwürdig
hell heute.
    Er wälzt sich auf die andere Seite und
schläft schleunigst weiter. —
    Inzwischen hatte sich die Oberprima,
verstärkt
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