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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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Eine blutrote, dampfende Flüssigkeit.
    Männer hocken um sie herum.
    Der eine, der Älteste, hat in eiserner
Zange einen dicken, kristallweißen Klumpen und hält ihn über das Gefäß.
    Der zweite hat eine verstaubte Flasche
in der Hand und gießt eine helle Flüssigkeit über den Klumpen.
    Der Dritte setzt ihn in Brand. Eine
gespenstische blaue Flamme züngelt hoch. Der weiße Klumpen knistert und fängt
an zu schmelzen; dicke, zähe Tropfen lösen sich und fallen zischend in die rote
Flut. Und ein leiser, betäubender Dunst zieht durch den Raum, steigt ins
Gehirn.
    Der vierte rückt die Gläser zurecht,
der fünfte öffnet eine Kiste Brasilzigarren. Der sechste rührt das Gebräu.
    Der siebente, der Jüngste, darf
einschenken.
    Geheimrat Froebel erhebt sich.
    „Wir haben heute nachmittag unsern
lieben, guten Pavian begraben. — Bitte lachen Sie nicht, meine Herren. Der
Pavian hieß eigentlich Schmitz und war unser alter Lateinlehrer. Er hat uns mit
Cäsar und Horaz gefüttert, wir haben ihm dafür Maikäfer mit in die Klasse
gebracht oder die Tafel mit Fett eingerieben — kennen Sie das nicht? Das ist
herrlich: Eine Tafel, die es nicht tut, die sich in schwarzes Schweigen hüllt.
— Jetzt hat er seine wohlverdiente Ruhe und keine bösen Buben mehr, die ihn
quälen. Hoffentlich fehlt es ihm da oben nicht. Auf sein Wohl!“
    Die schweren, dampfenden Gläser klacken
aneinander. Der Ventilator surrt, die Kerzen flackern; Rauchwolken ziehen über
den Tisch.
    „Auf sein Wohl!“
    „Übrigens, was das anbelangt; er war
keiner von denen, die hineinspuckten. Das kann ihm keiner nachsagen. Montags
war er manchmal etwas müde; dann schlich er aufs Katheder, ließ uns irgendwas
schreiben, nahm den Kopf zwischen die Hände und pennte. Aber wir Schwefelbande
hatten dafür kein Verständnis, eines Tages haben wir uns verschworen und sind
roh und herzlos einer nach dem andern ausgekniffen. Als er wach wurde, saß er
vor leeren Bänken. — Meine Herren, Sie lachen zu früh. Die Sache endet
tragisch, unser Pavian hat sich den Fall zu Herzen genommen, ist ein paar Tage
nicht zur Schule gekommen — und hat sich das Saufen abgewöhnt.“
    „Wir hatten auch so eine komische
Kruke“, mischt sich der Justizrat ein, „der hatte nie ein Taschentuch und
putzte sich seine Brille mit der Zunge ab. Als das einer von uns mal
nachmachte, wurde er furchtbar böse und ließ uns einen Aufsatz schreiben über
das Thema: Quod licet Jovi, non licet bovi.“
    „Wir hatten einen, das war ein
mißtrauisches Luder. Er ließ die Klasse nicht eine Sekunde aus den Augen, er
kam sich vor wie ein Dompteur vor seinen Raubtieren. Sogar wenn er etwas an die
Tafel schrieb, behielt er Front zu uns und schrieb mit seitlich ausgestrecktem
Arm. Bei dem war nicht viel zu machen. Aber einmal haben wir ihn drangekriegt.
Wir hatten uns verabredet und stierten die ganze Stunde unentwegt auf den
Klassenschrank. Erst nahm er keine Notiz davon, er guckte nur von Zeit zu Zeit
mißtrauisch nach dem Schrank hinüber, konnte aber nichts entdecken. Allmählich
wurde er nervös, manövrierte sich unauffällig an den Schrank heran; es war
nichts zu sehen. Schließlich wurde ihm die Sache unheimlich; vielleicht
vermutete er eine Höllenmaschine, Blitzschnell riß er die Schranktür auf:
Nichts. Ließ den Schrank ausräumen: Nichts.“
    „Und was war mit dem Schrank?“ fragt
harmlos Dr. Pfeiffer.
    Ein dröhnendes Gelächter war die
Antwort.
    Warum sind Lehrer Originale? Die Frage
wird aufgeworfen und beantwortet: Erstens sind sie gar keine, die Phantasie der
Jungens und die Übertreibung der Fama macht sie dazu. Zweitens müssen sie
Originale sein. Kein Mensch, kein Vorgesetzter ist so unerbittlich den Augen
einer spottlustigen und unbarmherzigen Menge ausgesetzt wie der Magister vor
der Klasse. In dem Bestreben, seine Würde zu wahren und sich keine Blöße zu
geben, wird er verbogen und verschroben. Oder er stumpft ab und läßt sich
gehen.
    „Wie zum Beispiel unser Mathematiker“,
fügt der alte Etzel ein. „Er kam meistens halbangezogen in die Klasse. Einmal
ohne Schlips, einmal mit verschiedenen Schuhen, manchmal auch ungenügend
zugeknöpft. Wir feixten und hielten das Maul. Und ihm war es Wurst.“
    „Wir hatten einen in Gesang, der hatte
den merkwürdigen Ehrgeiz, uns bei jeder Schulfeier mit einem unendlichen
Klaviervortrag zu beglücken. Einmal, zu Kaisers Geburtstag, legte er los mit
der Pathetique. Die Aula ist mäuschenstill. „Pirr-pirr“, macht der
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