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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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Flügel;
„pirr-pirr, pirr-pirr-pirr“. Es klang keineswegs pathetisch.“
    „Ah, da habt ihr eine Kette über die
Saiten gelegt? Es geht auch mit Seidenpapier. Wir haben mal —“
    „Kennen Sie das: Wenn man Kreide in die
Tinte tut, dann schäumt das über und gibt eine grandiose Schweinerei.“
    „Wir haben mal einen nassen Schwamm auf
den Kathederstuhl gelegt. Unser alter Heimendahl war außer sich über seine
nasse Hose.“ Eine zweite Frage wird aufgeworfen: Warum quält man die Magister?
Aus Bosheit, Notwehr, Langeweile, Unverstand, Instinkt? Der alte Etzel hat die
Antwort: Weil es Spaß gibt.
    Es gibt sogar heute noch Spaß, wenn man
nur davon erzählt. Und unsere Lehrer haben es mit ihren Lehrern ja auch so
gemacht.
    Jetzt sind sie wieder im Zuge. Jeder
hat einen Beitrag, über den er selbst am meisten lacht, und jeder weiß noch
etwas Schöneres und nimmt dem anderen das Wort aus dem Mund. Am liebsten
möchten sie alle gleichzeitig erzählen. Sie freuen sich wie die Schulbuben, die
würdigen Herren, von denen jeder sein halbes Jahrhundert auf dem Rücken hat.
Sie lachen, daß ihnen die Tränen über die Backen kullern und die große Bowle
sanfte Wellen schlägt.
    Rauchschwaden ziehen durch den Raum;
der Ventilator surrt; die Kerzen flackern. Der Küfer drückt sich im Hintergrund
herum und wundert sich.
    „Träumen Sie auch schon mal von der
Schule?“
    Oh, das taten sie alle. Besonders die
Älteren.
    „Vor kurzem habe ich geträumt, ich ging
mit meinem Jungen zusammen aufs Pennal. Aber nur zum Spaß. Ich hatte natürlich
keinen Schimmer mehr; der Bengel mußte mir alles vorsagen. Ich hatte aber auch
keine Angst; wenn es brenzlig wurde, brauchte ich nur aufzustehen und zu sagen:
Was wollt ihr überhaupt? Ich bin nur aus Jux hier. Ich habe doch längst mein
Abitur.“
    „Ich träume immer nur, ich hätte mein
Geschichtsbuch vergessen. Besonders dann, wenn ich abends schwer gegessen
habe.“
    „Sie Kümmerling. Ich hatte überhaupt
nie die Bücher. Das Geld war mir zu schade; das wurde versoffen. Und wenn dann
mal —“
    „Habe ich Ihnen das schon erzählt? Es
war der i. April, da hat sich einer von uns —“
    „Bei uns war immer April!“
    „Wir hatten einen —“
    „Wir haben mal —“
    Sie gönnten sich gegenseitig nichts.
Sie übertrumpften sich; Dichtung und Wahrheit flössen ineinander. Und die sechs
Herren, Väter studierender Söhne und verheirateter Töchter, verjüngten sich
zusehends.
    Längst war der Küfer geflüchtet. Auch
der Wirt hatte sich taktvoll verzogen. Jeden Augenblick mußte man darauf gefaßt
sein, daß die entfesselten Herren anfingen, sich mit Papierkugeln zu werfen
oder in die Beine zu pieken.
    Nur einer sitzt trübselig guckend
dabei. Es ist Dr. Hans Pfeiffer, der Benjamin der Gesellschaft. Er hat als
junger Schriftsteller bereits einen großen Namen; der alte Etzel hat seine
ersten Bücher finanziert, um die sich heute die Verleger reißen. Seine
humoristischen Schriften sind weltberühmt, und mit den alten Herren kam er
sonst prächtig zurecht.
    Aber heute kommt er nicht mit. Er
versteht nicht, was sie erzählen, begreift nicht, worüber sie lachen, er findet
das alles ein wenig albern. Denn was ein richtiges Pennal ist, das weiß er nur
aus Büchern, die es nicht gibt. Er selbst ist nie auf einem Gymnasium gewesen.
Zum Abitur wurde er auf dem Gute seines Vaters von einem alten Hauslehrer
vorbereitet, und mit dem konnte man keinen Fez machen, weil er ein so armes
Luder war.
    Hans Pfeiffer ist ganz niedergeschlagen
und voll Neid. Es muß doch etwas Herrliches sein, so ein Pennal mit richtigen
Magistern, richtigen Klassen und richtigen Kameraden. Mit seinen vierundzwanzig
Jahren kommt er sich gegen die älteren Herrschaften wie ein Greis vor.
    Und jetzt fangen sie auch noch an, ihn
zu bedauern.
    „Ach, Sie haben ja keine Ahnung,
Pfeiffer.“
    „Im Ernst, Pfeiffer, da haben Sie was
versäumt. Das Schönste vom Leben haben Sie nicht mitgekriegt.“
    „Weiß Gott, das Schönste vom Leben! Und
das können Sie auch nicht mehr nachholen. Prost Pfeiffer!“
    Das kann er nicht mehr nachholen.
    Die Feuerzangenbowle fängt an, kalt zu
werden. Man redet zu viel und trinkt zu wenig. Pfeiffer schenkt ein. Die
Brasilkiste geht rund.
    Plötzlich schwirrt ein Gedanke durch
den Raum. Ein kleiner, dummer Gedanke. Man weiß nicht, wer ihn aufgebracht, von
wannen er kommt. Vielleicht aus der Feuerzangenbowle. Es ist auch nur ein
Scherz, ein fauler Witz. Aber er ist da. Hakt sich
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