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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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Schüler haben ihren halben
Liter abonniert. Direktor Knauer sorgt für genügenden Vorrat an Strohhalmen,
und auch die Strohhalme werden von Ackermann verteilt.
    Das Wetter war schön. Die Schüler
quirlten auf dem Schulhof durcheinander und packten ihr Schulbutterbrot aus.
Hans stand einsam. Ein Schulbutterbrot hat er nicht. Daran hat er nicht
gedacht, daß zum richtigen Pennäler auch das Schulbutterbrot gehört. Und merkwürdig,
jetzt hat er sogar Hunger.
    Inzwischen hatte die Oberprima
beschlossen, den Neuen zu beschnuppern. Der lange Rosen bekam den Auftrag. Seine überlegene Stellung in der Klasse verdankte er dem
Umstand, daß er eine sehr hübsche und kokette Schwester hatte. Das war wohl die
einzige Eigenschaft an ihm. Aber sie genügte. Man riß sich um seine
Freundschaft. Der zweite Mann der Abordnung war Rudi Knebel. Er galt als der
Stärkste in der Klasse. Und man konnte ja nicht wissen.
    Die beiden also, eine Art Pat und
Patachon, denn Rudi war nur 1,44 groß, diese beiden promenierten mit gesuchter
Unauffälligkeit an Hans Pfeiffer vorbei und warteten, ob er sie anspricht. Hans
denkt nicht daran. Nun gerade nicht. Darum macht der lange Rosen den Anfang.
    „Sie waren noch nie auf einem richtigen
Pennal?“
    „Nein.“
    „Sie wollen hier bloß rasch Ihr Abitur
machen?“
    „Ja“
    „Da werden Sie sich aber wundern.“
    „Och —
    Das Gespräch versickert. Hans mag diese
Art von Beschnüffelung nicht.
    Der lange Rosen nimmt einen neuen Anlauf.
    „Gefällt es Ihnen bei uns?“
    Ob es ihm gefällt? Hans überfliegt den
Schulhof, eine mit spärlichem Kies bestreute Oberfläche mit vereinzelten
Kastanien. Straßenwärts eine zweimannshohe Mauer mit Eisentor. Im Winkel um den
Hof der rote Backsteinbau. Die kleinen Jungens spielen Nachlaufen oder balgen
sich. Die größeren trotten zu fünf oder sechs mit langen Schritten auf und
nieder, die Hände auf dem Rücken wie Lehrer. Trotz strengen Verbots liegt hier
und da Butterbrotpapier auf dem Kies. Oberlehrer Müller 2, der die Aufsicht
führt, winkt einen Sextaner heran. Der Sextaner hat sofort ein schlechtes
Gewissen, freut sich dann aber doppelt über den ehrenvollen Auftrag und
sammelt, vor Diensteifer platzend, das Papier.
    Ob es ihm hier gefällt? Hans zuckt die
Achseln.
    Pat und Patachon haben den Neuen nicht
aus den Augen gelassen.
    „So, es gefällt Ihnen also nicht?“
    „Das weiß ich noch nicht.“
    „Och, wir machen aber viel Fez.“
    „Wohl hauptsächlich mit dem kleinen
Luck?“
    „Haben Sie was dagegen?“
    „Geschmackssache.“
    „Dann sind Sie wohl auch so eine Art
Musterknabe?“
    „Kann schon sein.“
    „Vielleicht petzen Sie auch?“
    „Vielleicht.“
    Der lange Rosen versetzt dem kleinen Dicken einen Puff
in die Seite. „Rudi, hast du gehört?“ Daraufhin greift Rudi Knebel ein. Er
pflanzt sich dicht vor Hans Pfeiffer auf, fast in Tuchfühlung.
    „Sie, wenn Sie petzen, dann kriegen Sie
aber Freude bei uns.“ Und fuchtelt ihm mit seiner rundlichen prallen Faust unter
der Nase herum.
    Hans Pfeiffer will die Faust mit einer
lässigen Bewegung beiseite schieben. Diese körperliche Berührung wird von Rudi
Knebel mißverstanden. Er versetzt dem Neuen einen wohlgezielten Boxhieb
zwischen die Rippen und — legt sich, einer überirdischen Macht gehorchend,
platt auf den Boden. Es war ein Jiu-Jitsu-Griff, den Hans Pfeiffer angewendet
hatte. Derlei Griffe haben die wunderbare Eigenschaft, daß man zuerst die
Wirkung sieht und hinterdrein die Ursache.
    Die übrigen Primaner stehen im Kreise
und kommen sich mitgetroffen vor. Man läßt sich nicht so gerne handgreiflich
imponieren. Und anderseits imponierte es einem doch.
    Der lange Rosen tut, als ginge ihn die ganze
Geschichte nichts an, und schlendert von dannen. Rudi erholt sich von seiner
grenzenlosen Verblüffung und erhebt sich langsam.
    Jetzt geht’s los, denkt Hans und bringt
seinen Füllhalter in Sicherheit. Aber es geschieht nichts Böses. Rudi lächelt
den Neuen etwas mühselig an. „Du, das hast du fein gemacht. Den Griff mußt du
mir mal zeigen.“
    Hans erklärt den Griff und noch einige
andere und macht sie dem kleinen Rudi vor. Die Oberprima ist begeistert. Rudi
Knebel und Hans Pfeiffer aber legen den Grundstein zu einer Freundschaft.
     
    *
     
    Nach der Pause wurde Hans Pfeiffer zum
Direktor befohlen.
    Wenn ein Schüler zum Direktor muß, so
ist das immer eine Sensation — nicht anders, als wenn ein friedlicher Bürger
von der Polizei oder gar vom Finanzamt
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