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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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gluckst. Professor Crey aber
sieht ihn mitleidig an.
    „Sä send etwas albern. Sä waren noch
auf keiner Anstalt? Das spört man. Sä werden sech an strenge Scholzucht
gewöhnen mössen.“
    Im Anschluß daran hält er einen Vortrag
über die von ihm befolgten Grundsätze klassischer Pädagogik, die in dem Satz
gipfelt: „Met der Schole est es wie met einer Medizin — sä moß better
schmecken, sonst nötzt sä nechts.“
    Hans Pfeiffer hat sich langsam wieder
gesetzt. Er hat nun Muße, seinen dicht vor ihm stehenden Lehrherrn aus der
Froschperspektive des sitzenden Schülers näher zu inspizieren. Ganz dicht vor
seiner Nase wölbt sich ein graziöser Spitzbauch, von einer blütenweißen
Pikeeweste überzogen, und garniert mit einer kompliziert geschlungenen goldenen
Uhrkette. Weiter oben kommt die taubengraue, kunstvoll gebauschte Krawatte mit
einer offensichtlich echten Perle, und im Anschluß daran ein gepflegtes rosiges
Gesicht, das sich vergeblich bemüht, seine Gutmütigkeit hinter einem steilen
Spitzbart und einem hochgewölbten Zwicker zu verbergen. Aus der äußeren
Brusttasche des tadellosen mausgrauen Taillenrockes aber flutet ein mächtiges
elfenbeinfarbenes Seidentuch, das häufiger als notwendig zum Betupfen des
Gesichtes und der Nase verwendet wird.
    Das Merkwürdigste allerdings war die
Aussprache. Darüber kam Hans Pfeiffer nicht hinweg. Imitiert der Mann wirklich
den Professor Heinzerling aus Ecksteins „Besuch im Karzer“? Oder will er nur
seiner Stimme einen volleren Ton geben?
    Inzwischen ist Professor Crey zum
Ausgang seiner Betrachtung zurückgekehrt und spricht abermals von der „strängen
Scholzocht“ — da macht es plötzlich „päng“: Ein wohlgezieltes nasses
Papierkügelchen ist dem Pädagogen an die Stirn geknallt.
    Diese Freveltat wäre nicht erfolgt,
wenn man sich vor dem Neuen nicht hätte aufspielen wollen.
    „Wär est das gewäsen?“
    Übrigens war es der erste Vormittag
nach den Osterferien.
    „Wär est das gewäsen?“
    Selten ist es in einer Klasse so still
wie bei derartigen rhetorischen Fragen.
    „Aus welcher Rechtung est das
gekommen?“
    Von den vorderen Bänken schreit es:
„Von hinten!“ Die hinten Sitzenden brüllen: „Von vorn!“
    Einige verdächtigen das offenstehende
Fenster. Die Meinungen sind durchaus geteilt.
    Da erhebt sich der lange Rosen, der
Nachbar von Pfeiffers Hintermann: „Herr Professor, fragen Sie doch mal den
Luck.“
    Wie ein Pfeil schießt der kleine Luck
in die Höhe. Er ist leichenblaß und kann vor Entrüstung nichts sagen.
    „Rosen, haben Sä gesähen, daß das der
Lock gewäsen est?“
    „Ich habe nur gesagt, Sie möchten ihn
fragen. Der ist so klug, der weiß doch immer alles.“
    Die Klasse quietscht. Aber Professor
Crey ist traurig. „Rosen, Sä send albern. Ehnen fählt die settliche Reife.“
    Aber dann kommt Crey auf den Gedanken,
das Papierkügelchen auseinanderzufalten und sorgfältig zu untersuchen. Ein
listiges Lächeln geht über sein Gesicht. „Das Stock Papier est aus einem
Scholheft geressen. Zeigen Sä Ehre Hefte!
    Die ersehnte Untersuchung beginnt. Es
sind vierzehn Schüler, mit Hans fünfzehn. Jeder hat fünf Hefte. Jedes Heft hat
vierundzwanzig Seiten. Als Crey beim elften Schüler angelangt ist, ertönt das
ersehnte Bellebemm — bellebemm — bellebemm. Die symbolische Handlung ist zu
Ende.
    „För die nächste Stunde wederholen Sä,
was wir heute durchgenommen haben.“
    Während er hinausschreitet, schießt ihm zum Abschied noch eine Papierkugel nach. Sie saust einen
Zentimeter über seinen Kopf hinweg. Den Luftzug muß er gespürt haben.
    Hans Pfeiffer ist begeistert. Daß es
sowas noch gibt!
    Er wurde sogar mutig und bahnte mit
Ernst Husemann, seinem Banknachbarn, ein Gespräch an.
    „Bitte sehr, was hatten wir eigentlich
eben?“
    „Geschichte.“
    „Aha. Und das war wohl unser Ordinarius?“
    „Ja. Das ist der Schnauz.“
    „Danke schön.“
    Also das war der Schnauz.
     
    *
     
    In der nächsten Stunde lernte Hans das
genaue Gegenstück kennen. Ein kleiner, forscher Herr kommt hereinmarschiert.
Bleibt vor dem Schüler stehen. Strammt sich vor ihm auf. Schnarrt etwas.
    „Wie bitte?“ fragt Hans mit
gutgespielter Schüchternheit.
    „Brett ist mein Name.“
    Pfeiffer reißt sich zusammen und stellt
sich ebenfalls vor. Beinahe hätte er „Doktor Pfeiffer“ gesagt.
    Brett pflanzt sich vor der Klasse auf.
Kommandiert:
    „Aufstehn! Aus den Bänken treten!
Achtung! Arme — beugt! Arme —
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