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Wir kommen von der Presse

Wir kommen von der Presse

Titel: Wir kommen von der Presse
Autoren: Walter Gronemann
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Klaus lernt knipsen
     
    Herr Möllmann, ein begeisterter Hobbyfotograf, hatte sich eine tolle Kamera zugelegt. Mit Vorsatzlinsen und verschiedenen Objektiven, mit allen Schikanen — das Neueste vom Neuen. Nachdem er hinter sämtliche Geheimnisse des Apparats gekommen war, führte er ihn voller Stolz und mit genauen Erläuterungen seinen beiden Söhnen Olaf und Klaus vor.
    Zwischendurch fragte ihn Klaus: »Papa, was machst du eigentlich mit deinem alten Kasten? Ich meine, er ist doch noch prima in Schuß. Bevor du ihn in der Schublade verfaulen läßt, könntest du ihn mir vererben!«
    Olaf faßte sich an die Stirn. »Verfaulen!« Er stöhnte. »Kleiner, du hast eine Ausdrucksweise! Tomaten können verfaulen, oder Eier. Aber doch keine Kameras!«
    »Pah!« entgegnete Klaus richtig bockig. »Innerlich können auch große Brüder verfaulen, wenn sie so viele Zigaretten qualmen wie du!«
    »Ruhe!« gebot Herr Möllmann. »Auch wenn du über fünf Jahre älter bist, Olaf, den Schulmeister brauchst du bei deinem kleinen Bruder trotzdem nicht dauernd zu spielen. Klar? Und du, Klaus, könntest meine alte Kamera vielleicht bekommen. Sie sieht noch gut aus, ist leicht zu bedienen, sozusagen idiotensicher.«
    »Eben!« ereiferte sich Klaus. »Deshalb...«
    »Du findest also selber, daß du ein Idiot bist?« unterbrach Olaf ihn und lachte laut.
    Wie ein Fußballschiedsrichter fuhr der Vater mit erhobener Hand dazwischen. »Klaus, ich habe gesagt: vielleicht. Und zwar unter einer Bedingung: Ich möchte von dir mal eine Zwei im Aufsatz sehen. Meinetwegen auch eine Zwei minus. Dann bekommst du die Kamera. Darauf kannst du dich verlassen.«
    Klaus machte ein enttäuschtes Gesicht. »Dann krieg’ ich sie nie. Könnten wir uns nicht auf eine Drei oder Drei minus einigen?«
    Doch darauf sagte Herr Möllmann weder ja noch nein.
     
    Eine gute Woche später bekam Klaus zu seiner Überraschung für einen Aufsatz eine Drei. Der Deutschlehrer hatte zwar bemerkt, es sei nur eine Drei mit Bedenken, doch das erwähnte Klaus zu Hause vorsichtshalber nicht. Vielmehr sagte er zu seinem Vater: »Bei mir ist eine Drei genausoviel wert wie bei anderen eine Eins. Und deshalb finde ich, daß du mir deine alte Kamera jetzt eigentlich übergeben könntest. Oder? Ach, sag doch ja, Papa!«
    Herr Möllmann zögerte noch eine Weile. Dann sagte er mit einem leisen Seufzer: »Na gut. Aber geh schonend mit dem Ding um.«
    Nichts fiel Klaus leichter, als das zu versprechen.
    Bis zum nächsten Sonntag hatte er seinen ersten Film verknipst. Und der Vater war bereit, ihn gleich in seiner Dunkelkammer im Keller zu entwickeln. »Klasse, Papa!« Klaus freute sich. »Du bist ein ausgesprochen netter Mensch!«
    Später schauten sie sich die Bilder zu viert an. Da waren zunächst drei Aufnahmen mit der lächelnden Mutter: einmal Frau Möllmann sitzend, einmal Frau Möllmann auf dem Balkon stehend und einmal Frau Möllmann neben dem Vogelkäfig mit Lümmel, dem Wellensittich. Es folgten drei Bilder mit dem lächelnden Vater: einmal sitzend, einmal stehend, ebenfalls auf dem Balkon, einmal den Wellensittich Lümmel auf dem Finger haltend. Bei den nächsten Fotos meinte Olaf spöttisch: »Ich versteh’ bloß nicht, warum du unser Auto von allen Seiten aufgenommen hast! Ein Bild davon hätte genügt.«
    »Laß ihn doch, Olaf«, sagte die Mutter. »Mit dreizehn hast du auch nicht besser geknipst.«
    Dann allerdings kam ein Foto, das Olaf interessiert betrachtete. Es zeigte ihn in seinem Zimmer am Schreibtisch, dahinter standen mehrere Jungen und Mädchen. »Hm«, meinte er, »nicht übel: Olaf Möllmann, Chefredakteur der Schülerzeitung ,Knallbonbon’ mit seinem Redaktionsstab! Dieses Foto könnte man unter Umständen irgendwann einmal verwenden.«
    Klaus horchte auf. Und plötzlich schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf. Doch er wagte nicht, ihn auszusprechen. Olaf würde ihn bestimmt auslachen. Klaus merkte ja selber, daß seine ersten Aufnahmen nicht gerade gekonnt geknipst waren.
    Immerhin war es Olaf, der ihm half, in die Kunst des Fotografierens tiefer einzudringen. Eines Tages brachte er aus der Stadtbücherei mehrere Fotobücher mit. »Schau dir die Bilder darin genau an«, sagte er zu Klaus. »Vielleicht lernst du dadurch, wie man gute Aufnahmen macht.«
    Der große Bruder konnte mitunter wirklich Klasse sein, das mußte Klaus ehrlich zugeben. Mit Eifer machte er sich über die Bücher her. Immer wieder betrachtete er die Abbildungen und las die Erklärungen
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