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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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Oberschulrat hat nichts gemerkt. — Aber ich habe es
gern getan, Herr Direktor, Ihretwegen.“
    „Pfeiffer, Sie sind das
Unverschämteste, was ich im ganzen Leben —“
    „Lassen Sie stecken, Herr Direktor. —
Aber dann wäre ja auch noch das Ehrenwort.“
    „Wa—a—as?“
    „Sehr richtig. Ihr Ehrenwort, mich
nicht zu bestrafen! Die Herren und Damen sind Zeugen.“ Die Klasse brüllt
Zustimmung.
    Der Direktor versucht es anders herum.
Er verhandelt: „Lieber Pfeiffer, das müssen Sie doch einsehen, Sie haben
gehört, was der Oberschulrat gesagt hat. Wenn ich Sie nicht von der Anstalt
verweise, bin ich als Direktor erledigt und muß gehen.“
    Das will Pfeiffer nun auch nicht
gerade.
    „Herr Direktor, ich mache Ihnen einen
Vergleichsvorschlag: Sie dürfen mich nach Herzenslust bestrafen, Sie dürfen
mich mit Schimpf und Schande von der Anstalt verweisen und was Sie sonst noch
wollen. Ich entbinde Sie von Ihrem Ehrenwort — wenn Sie wenigstens ein anderes
Wort halten: Sie haben vorhin vor dem Schulrat feierlich bestätigt, daß ich mit
Ihrer Tochter verlobt bin. Einverstanden!“ Knauer sieht sich im Kreise um und
zeigt mit dem Daumen auf Hans. „Der ist größenwahnsinnig geworden.“
    „Schön. Dann also nicht. Es war ja nur
ein Vergleichsvorschlag. Dann bleibt es also bei dem Ehrenwort. Sie werden mich
nicht bestrafen, nicht einmal ins Klassenbuch dürfen Sie mich schreiben; aaaber
— wie Sie dann mit dem Oberschulrat zurechtkommen — was das
Provinzialschulkollegium dazu sagen wird, daß Sie mich hier vor versammelter
Klasse den Schnauz haben spielen lassen —“
    „Pfeiffer, das ist Erpressung!“
    „Natürlich. — Also schlagen Sie ein!“
    Er reicht seine Hand. Der Direktor
zögert noch. Da tut es einen Jauchzer aus der letzten Bank; Eva ist über
sämtliche Köpfe und Bänke hinweg nach vorn geturnt, faßt ihres Vaters Hand und
drückt sie in Pfeiffers.
    Knauer läßt es geschehen. Er ist nicht
für Konflikte. Aber er hat Kummer: „Jetzt bekomme ich einen Schwiegersohn ohne
Abitur.“
    „Das macht nichts“, schreit Eva und
hängt an Pfeiffers Hals, „wir werden uns schon durchschlagen .— Außerdem
will er vielleicht Schriftsteller werden.“
    „Mit Vier plus im Deutschen?“ jammert
Papa Knauer.
    Ein wilder Kreis umdrängt den Sieger.
An die dreißig Arme, helle und braune, winken Beifall; an die dreißig Stimmen,
silberne und rauhe , jubeln ihm zu.
    Hans Pfeiffer wächst sichtlich in die
Höhe. „Jetzt hab ich’s geschafft: Ich fliege von der Schule und bekomme die Eva
— ich, der Primaner Hans Pfeiffer. Was zu beweisen war. — Übrigens, das hätte
ich fast vergessen: Hier ist mein Reifezeugnis, hier mein Doktordiplom, hier
die Abrechnung meines Verlegers, und hier, mein lieber Schwiegerpapa, was Sie
am meisten interessieren dürfte, mein Einkommensteuerbescheid.“
     
    *
     
    Aber nun kommt das traurige Happy-End:
Hans Pfeiffer ist nicht von der Schule geflogen. Und er hat auch die Eva nicht
bekommen.
    Das ging auch nicht. Denn Hans Pfeiffer
war auf gar keinem Gymnasium. Und sein Direktor hatte auch keine Tochter.
    Hans Pfeiffer war überhaupt niemals in
Babenberg.
    Denn Babenberg gibt es gar nicht. Und
solche Gymnasien, mit solchen Magistern und solchen Lausbuben gibt es erst
recht nicht. Hat es auch niemals gegeben — oder höchstens im
Verschönerungsspiegel der Erinnerung.
    Hans Pfeiffer, über dessen mangelnde
Wahrheitsliebe verschiedentlich geklagt werden mußte, hat die ganze Geschichte
von A bis Z erlogen. Frei erfunden wie alle seine Geschichten. Sogar sich
selbst, mitsamt Marion und Literaturpreis, hat er erfunden.
    Wahr an der Geschichte ist lediglich
der Anfang: die Feuerzangenbowle.
    Wahr sind auch die Erinnerungen, die
wir mit uns tragen; die Träume, die wir spinnen, und die Sehnsüchte, die uns
treiben. Damit wollen wir uns bescheiden.
     
    ENDE

 
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