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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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gelockert und humorgewürzt. Man hat es ja häufig,
daß die Kopie besser gefällt als das Original.
    Aber es ist unsagbar anstrengend für
Pfeiffer, nicht aus der Rolle zu fallen. Der Scherz wird zur Qual. Der Schweiß
steht ihm auf der Stirn; das riesengroße Taschentuch tritt immer häufiger in
Funktion. Von Zeit zu Zeit hält er ermattet inne. Die Stimme macht nicht mehr
mit.
    Aber dann raunt ihm der Direktor zu: „Durchhalten,
Pfeiffer! Durchhalten! Lassen Sie mich nicht im Stich! Sie werden nicht
bestraft, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!“
    Pfeiffer schöpft neuen Mut und reißt
sich zusammen.
    Er wird sogar übermütig.
    „Fahren Sä fort, Pfeiffer.“
    Der Schüler Pfeiffer antwortet nicht.
    „Wo stäckt där Pfeiffer? Natürlich
fählt er wieder, dieser Borsche. — Schade, Herr Oberscholrat, ich hätte Ehnen
so gärn den größten Flägel der Anstalt vorgeföhrt. Schade.“
    In der Klasse beginnt es verdächtig zu
glucksen. Knauer schwitzt Blut und Wasser. Brett versteckt sich hinter seinem
Taschentuch. Bommel röchelt.
    Der Schulrat möchte etwas von den Damen
hören. Hans ruft Eva Knauer auf. Sie versagt, ist vollständig verstört. Und
wieder reitet ihn der Teufel. Es ist vielleicht das letztemal, daß er zu ihr
reden kann.
    „Äva, ech ben met där onzofreden. Du
gähst den Dingen necht genögend auf den Grond. Es est necht alles Gold, was
glänzt, aber auch necht alles Dräck, was donkel est. Der Steinkohlentäär est
eine schmotzige, kläbrige Substanz und armsälig ond schwarz wie eine
Schölermötze; und doch stäcken en ehm die ädelsten Stoffe.“
    Der Herr Oberschulrat wundert sich über
das Du. „Sind Sie mit Fräulein Knauer verwandt?“ Pfeiffer weiß keine Antwort.
Aber der Direktor weiß sie: „Gewiß, Herr Oberschulrat, nicht gerade verwandt,
aber sozusagen —“
    „Verlobt“, ergänzt Hans.
    „Verlobt“, bestätigt der Direktor.
    Hans nimmt die Glückwünsche des
Oberschulrats entgegen und fährt seufzend im Unterricht fort. Bald ist es
überstanden. —
    Just um diese Zeit fuhr der echte Crey
aus dem Schlaf hoch. Er träumte gerade, seine bösen Primaner hätten ihm den
Physiksaal in die Luft gesprengt.
    Es war aber nur die Wirtin, die wie
wild gegen die Tür bollerte.
    „Herr Professor! Herr Professor! Es ist
gleich halb neun!“
    Crey warf einen Blick auf den Wecker.
Crey warf einen Blick auf die Nippesuhr mit der geflügelten Jungfrau. Crey
sprang aus dem Bett und hängte seinen Oberleib zum Fenster hinaus: Die Turmuhr
zeigte halb neun.
    Crey stieß, aller Gewohnheit zuwider,
einen tiefempfundenen Fluch aus, stürzte sich, so rasch es sein verkaterter
Kopf zuließ, in seine Kleider und raste unrasiert und ohne gefrühstückt zu
haben zum Gymnasium. —
    Die Eile war durchaus überflüssig. Man
kam sehr gut ohne ihn aus. Man entbehrte ihn nicht im geringsten.
    Der Herr Oberschulrat war mit dem
nachgemachten Crey und seinem Unterricht vollauf zufrieden. Auch die Disziplin
schien in Ordnung. Er begann sich zu verabschieden.
    Es war höchste Zeit. Hans Pfeiffer war
am Ende seiner Kraft. Ein allgemeines Aufatmen ging durch den Raum. Direktor
Knauer aber wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hat die schwerste Stunde
seines Lebens überstanden. So glaubte er.
    Es wäre ja auch alles gut gegangen,
wenn der Schulrat sich ein klein wenig mehr beeilt hätte oder der echte Schnauz
nicht wie wahnsinnig die Treppe heraufgestürzt wäre.
    Aber gerade in dem Augenblick, wie der
Direktor zusammen mit dem „Kollegen Crey“ den Oberschulrat zur Tür
hinauskomplimentiert, kommt der echte Crey angefegt und prallt seinem
Doppelgänger vor den Fußballbauch.
    Hoppla!
    Nun stehen sie sich gegenüber: Schnauz
I und Schnauz II. Es ist wie im Spiegel. Beide mit derselben weißen Weste,
demselben Bäuchlein, demselben großen Taschentuch, mit gleichem Spitzbart, dem
gleichen Zwicker, Stehen sich leibhaftig gegenüber und funkeln sich an. Fressen
sich gegenseitig mit den Augen. Sagen kann keiner etwas.
    Es ist ganz still. Niemand lacht. Es
ist erschütternd ; man kann nicht lachen.
    Bommel, Brett und Fridolin ziehen sich
unauffällig zurück. Der Direktor sieht glühende Brezeln vor den Augen. Zweimal
Crey, das ist zuviel für den alten Mann. Das Gehirn geht ihm laufen. Er denkt
im Kreise. Er denkt nur noch: Wie mag das ausgehen?
    Aber vorläufig geht es noch gar nicht
aus. Im Gegenteil, es fängt erst richtig an.
    Hans Pfeiffer denkt nicht daran, das
Feld zu räumen. Durchhalten, hat der
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