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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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durchgesickert. Der Herr Oberschulrat ist
überzeugt, daß es sich hier um eine Übertreibung handelt. Aber er möchte doch
gern mit Professor Crey darüber sprechen.
    Direktor Knauer will den Schnauz holen.
Der Herr Oberschulrat winkt ab. Er will persönlich dem Unterricht beiwohnen.
    Der kleine Trupp, wohlgeordnet nach
Rang und Dienstalter, setzt sich in Bewegung. Der kurzsichtige Schulrat wird
vom Direktor und Dr. Brett geführt.
    Je mehr man sich dem Physiksaal nähert,
desto deutlicher wird der Radau hörbar, das Geschrei rauher Primanerkehlen und
die hohen Silberstimmen der Mädchen. Dem Direktor verschlägt es den Atem. Der
Oberschulrat brummt etwas vor sich hin. Ja, ja, mit Professor Crey scheint es
wirklich nicht in Ordnung zu sein: die Disziplin läßt zweifellos zu wünschen
übrig.
    Dr. Brett sucht den hohen Herrn durch
lautes Sprechen abzulenken. Der hohe Herr läßt sich nicht ablenken. Er kaut
grimmig an seinem Schnurrbart. Bommel meint, ob de: Herr Oberschulrat nicht die
neuen Kletterstangen in der Turnhalle besichtigen wolle. Der Oberschulrat will
nicht die Kletterstangen in der Turnhalle, sondern Professor Crey sehen. Die
Katastrophe ist nicht mehr abzuwenden.
    Hans Pfeiffers parodistische Leistung
hat inzwischen ihren Höhepunkt erreicht. Die Bande ist nicht zu halten. Er
schreit sich die Kehle wund. Diktiert höchste Arreststrafen und droht, den
Herrn Direktor zu holen. In diesen Höllenlärm hinein schreitet die hohe
Kommission.
    Es ist bewundernswert, wie schnell sich
in solchen Fällen ein ohrenbetäubender Lärm in Grabesstille und eine tobende
Horde in sittsame Musterknaben verwandelt. Im Nu sitzen alle säuberlich auf
ihrem Platz und schauen mit großen, blanken Augen in die Luft.
    Nur für Hans Pfeiffer gab es keine
Rückzugslinie. Er stand in seiner Maskerade hilflos vor der Klasse und
versuchte, in die Erde zu versinken. Da ihm das nicht gelang, begnügte er sich
damit, zur Plastik zu erstarren.
    Auch auf die Mitglieder des
Lehrerkollegiums blieb die Szene nicht ohne Eindruck. Der Direktor verfärbte
sich wie ein Chamäleon, und auch seine Zunge gemahnt an dies seltsame Tier,
indem sie ohne Knauers Zutun sieben-, achtmal aus dem Mund und zurück schnellt.
Fridolin befürchtet den Weltuntergang. Auch dem verständnisvollen Brett ging
der Spaß über die Hutschnur. Bommel erstickt in einem Hustenanfall.
    Aber noch ehe Direktor Knauer einen Ton
herausbringen kann, ist der kurzsichtige Schulrat auf den vermeintlichen
Professor Crey zugeschritten und beginnt, ihn jovial zu begrüßen.
    „Freut mich außerordentlich, Sie
wiederzusehen, lieber Crey. Das ist wohl etwas her, daß wir uns zuletzt gesehen
haben. Sie sind etwas schlanker geworden. Wenigstens obenherum. Mehr nach unten
möchte man eher das Gegenteil behaupten. Das kommt mit den Jahren. Ja — lassen
Sie sich bitte nicht stören, Kollege Crey. Sie hatten wohl eben einen Scherz
erzählt. Muß auch sein. Muß auch sein. Humor würzt das Leben. Bitte, fahren Sie
im Unterricht fort!“
    Endlich hat sich der Direktor soweit
erholt und will ein Ende machen. Aber Bommel hält ihn am Rock fest: „Am beste
is, mer sage nix und lasse de PfeifFer weitermache.“
    Das leuchtet dem Direktor ein. Er sagte
nichts. Er war ohnehin nicht für Konflikte und ließ Pfeiffer weitermachen. Aber
Pfeiffer funktionierte nicht. Hilfesuchend blickt er in die Runde.
    „Also bitte, fahren Sie fort“,
wiederholte der Oberschulrat und zog sich auf eine Bank zurück.
    Hans Pfeiffer kapiert immer noch nicht.
Der Direktor machte ihm verzweifelte Zeichen. Hans Pfeiffer ist wie vernagelt.
Er war sicher ein frecher Hund, aber hierfür langte es nicht.
    Da bekommt der Direktor von Bommel
einen Anstoß, tritt dicht an Hans Pfeiffer heran und flüstert ihm zu:
„Pfeiffer, ich flehe Sie an: lieber Pfeiffer, fahren Sie fort! Spielen Sie das
Theater weiter! Der Oberschulrat darf nichts merken! Ich will keine Konflikte.“
    Endlich hat der nachgeahmte Schnauz
verstanden. Oder hat er sich bisher nur dumm gestellt? Und so fährt er nunmehr
auf die ausdrückliche Weisung seines Direktors im Unterricht fort und spielt
die Komödie weiter. Und hält eine Chemiestunde im Sinne Creys.
    Er strengt sich gewaltig an. Er gibt
sein Letztes her. Er vermeidet jede Übertreibung und kopiert den Schnauz so
vollendet, daß allmählich die Klasse mitgeht. Auch der Schulrat nickt ihm von Zeit
zu Zeit zu. Sein Vorgesetzter Groll ist verschwunden. Er findet Creys
Unterricht modern, frisch,
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