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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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Professor Crey.
    Hans fühlt die Demütigung; er will
etwas Freches sagen. „Verzeihung, aber ich hatte —“
    „Sä haben gar nichts. Sätzen Sä sech.“
    Hans Pfeiffer setzt sich nicht, sondern
macht eine linkische Verbeugung und schleicht von hinnen. Wie ein begossener
Pudel.
     
    *
     
    Am nächsten Tag war Professor Crey
ziemlich ungnädig zu Hans. Er beachtete ihn nicht, er nahm ihn nicht dran. Er
überging ihn völlig. Von mir aus, dachte Hans, ich kann das lange aushalten.
    Zu allem Unglück aber auch hatte er
sein Geschichtsbuch vergessen. Da wurde der Schnauz sehr ironisch. „Pfeiffer,
Sä send doch där, där sech so gärn zom Kaffee einlädt. Heute nachmettag Ponkt
vier Ohr mälden Sä sech mit dem Boche in meiner Wohnung. Aber Kaffee und Kochen
gebt es necht.“
    Am Nachmittag, Punkt vier Uhr — sogar
schon zehn Minuten vorher — ist Hans Pfeiffer zur Stelle. Allerdings nicht bei
Herrn Professor Crey, sondern draußen an der Neurather Landstraße. Und er hat
auch kein Geschichtsbuch bei sich, sondern ein lustiges Blumensträußchen, das
er sich im sanitätsrätlichen Garten zusammengeklaut hat. In der Hand schwingt
er ein silberbeschlagenes Bambusstöckchen, mit dem er durch die Luft fuchtelt
und schneidige Terzen und Quarten ins Leere haut.
    Von der Johanneskirche schlägt es vier.
Jetzt muß sie jeden Augenblick kommen. Und der Schnauz kann warten, bis er
schwarz wird. Morgen kriegt er irgendeine Entschuldigung. Dafür hat man ja die
Frau Windscheid.
    Heute würde er auch das mit Johannes
Pfeiifer in Ordnung bringen. „Evamädchen“, würde er zu ihr sagen, „laß doch den
Quatsch. Ich war ja nur wütend, daß ich dich nicht habe verkohlen können; aber
du bist ja ein viel zu kluges Mädchen, und ich will’s auch nicht mehr
wiedertun.“
    Wo bleibt sie denn? Sie war gewiß schon
unterwegs.
    Eva war nicht unterwegs.
    Eva hatte sich wie gewöhnlich von Hause
drücken wollen, um zu ihrer zuverlässigen Freundin Lisbeth zu gehen, war aber
von der Mutter geschnappt worden.
    „Wo willst du schon wieder hin?“
    „Och, gar nichts, ich wollte nur —“
    „Das Gelaufe hört mir auf. Übrigens
habe ich mit dir zu reden.“
    Die Uhr an der Johanneskirche schlägt
viereinviertel. Hans steht nach wie vor an der Neurather Landstraße. Er wird
langsam ungeduldig. Warten ist nicht seine starke Seite. Aber er hat ja auch
den Schnauz draufgesetzt; der Gedanke tröstet ihn.
    Merkwürdig übrigens, daß Eva ihn warten
läßt. Vielleicht ein gutes Zeichen. Kleine Unkorrektheiten beweisen eine
gewisse Vertraulichkeit. Bei Fremden ist man pünktlich.
    Er wickelt sich in Geduld. Er
marschiert zwischen zwei Chausseebäumen hin und her. Er zählt die Schritte.
Berechnet danach die Breite der Straße und den Abstand der Bäume. —
    Um halb fünf ist die Unterredung
zwischen Eva und ihrer Mutter beendet. Eva hat ein verheultes Gesicht und ist
mit allem einverstanden.
    „Also, mein Kind, du weißt jetzt, was
du zu tun hast. Gib mir die Hand.“
    Eva reicht sie willenlos, mit
abgewandtem Gesicht. Dann geht sie auf ihr Zimmer und schließt sich ein. —
Indessen stand Hans immer noch treu und brav an der Neurather Landstraße. Treu
und brav ist allerdings nicht wörtlich zu nehmen. Seine Schrittberechnungen
machten ihm keinen Spaß mehr. Er war dazu übergegangen, seine Wut an
unschuldigen Zweigen, Sträuchern und Ginsterbüschen auszulassen, die er mit
seinem Spazierstock erbarmungslos köpfte. In Abständen von zehn Minuten sah er
auf seine Uhr. Als es zwanzig Minuten vor fünf war, stellte er Eva ein
Ultimatum: Noch genau fünf Minuten würde er warten, keine Sekunde länger. Um
Viertel vor fünf verlängerte er das Ultimatum um weitere fünf Minuten, und dann
nochmals um drei Minuten.
    Aber dann war es aus. Das Sträußchen
flog in weitem Bogen in den Straßengraben. Beinah wäre der Spazierstock
mitgeflogen.
    Da fiel ihm zur rechten Zeit wieder
Professor Crey ein. Der Gedanke, daß der Schnauz jetzt auch dreiviertel Stunde
auf ihn gewartet hatte und inzwischen geplatzt sein mußte, war ihm wie Balsam.
    Das ging er sich ansehen.
    Professor Creys ältliche Wirtschafterin
öffnete. Der Herr Professor sei eben ausgegangen, wolle aber gleich
wiederkommen. Wenn der junge Herr so lange warten möchte?
    Kaum war die Wirtschafterin in der
Küche, stellte Hans seine Taschenuhr auf vier, stellte Creys Wanduhr auf vier,
stellte die Nippesuhr mit der geflügelten Jungfrau auf vier und stellte nebenan
den Wecker auf dem
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