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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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lachte mit und wandte sich schamhaft ab. Luck aber ward
von Stund an Satiriker.
    Es ging auf elf Uhr. Und es wurde immer
schöner. Immer lauter. Alles geschah im Fortissimo, das Singen, Kommandieren,
Erzählen, sogar das Trinken. Die Salamander wurden nicht gerieben, sondern
gehauen, daß die Henkel von den Krügen sprangen. Von außen hörte es sich an wie
ein Hexensabbat. Auf der Straße blieben die Leute stehen und wunderten sich.
Die Beteiligten aber fühlten sich wie auf Parkettsitzen im Paradies.
    Den Höhepunkt bildeten die Lieder. Hier
konnten sie alle gleichzeitig schreien, und jeder kam sich vor, als sei er
allein der Urheber des Getöses. Und so sangen sie in endloser Kette abgelegte
Studentenlieder: „Im schwarzen Walfisch zu Askalon“, „Was kommt dort von der
Höh’?“, die „Lindenwirtin“ und „Ça ça geschmauset“. Oder übten ihre
humanistische Bildung an „Gaudeamus igitur“ und „Ergo bibamus“, besangen die
Liebe an Hand der „Lore am Tore“ oder der „Filia hospitalis“, der keine
aequalis sei. Oder wurden plötzlich gerührte Männer und fragten immer wieder
die alte Burschenherrlichkeit, wohin sie entschwunden sei. Am lautesten aber
tobte man von der Freiheit. „Frei ist der Bursch“ oder „Freiheit, die ich
meine“ oder auch:
    „Burschen
heraus!
    Lasset
es erschallen von Haus zu Haus!
    Rufet
zu Hilfe die Poesei
    Gegen
- -“
    Jäh zerbrach der Männergesang. Ein
bleicher Schreckensruf! „Der Zeus!“ Verflogen waren mit einem Schlage
Tyrannentrutz und Freiheitskoller. Und übrig blieb ein Fähnlein
angstschlotternder Schulbuben, die in wilder Flucht zum Fenster
hinauskrabbelten. Auf den Hof, in die Rückzugslinie, an den Fluß.
    Ein Glück, daß Hans Pfeiffer den
Rückzug organisierte und deckte. „Kommersbücher mitnehmen!“ Da standen nämlich
die Namen drin. Und gerade will Hans in seine halbgetrockneten Schuhe
schlüpfen, um wie ein Kapitän als Letzter das sinkende Schiff zu verlassen, da
fühlt er sich am Rockschoß ergriffen.
    „Pfeiffer? Natürlich wieder der
Pfeiffer. — Was tun Sie hier?“
    „Ich? Nichts. Ich ziehe mir die Schuhe
an.“
    „Wo sind die anderen?“
    „Bei meiner Wirtin. Zum Putzen.“
    „Halten Sie den Mund! — Wer war sonst
noch hier?“
    Hans hält den Mund.
    „Antwort! Wer war sonst noch hier?“
    „Ich war ganz allein, Herr Direktor,
ich liebe die Einsamkeit.“
    Knauer sah sich im Raume um. Überall
gestürzte Gläser, weggeworfene Zigarren, große Pfützen, umgeworfene Stühle.
    „So? — Und wem gehören diese Gläser?“
    „Ich hatte kolossalen Durst.“
    „Pfeiffer, wenn Sie die Namen nicht
sagen, fliegen Sie von der Schule!“
    Damit war Hans nicht gedient. Jetzt, wo
es gerade anfing, gemütlich zu werden!
    „Herr Direktor, dazu haben Sie kein
Recht. Sie dürfen mich nicht zwingen, meine Kameraden zu verpetzen. Das können
Sie pädagogisch nicht verantworten! Ich habe kürzlich noch mit meinem Onkel
einen ähnlichen Fall besprochen. Sie kennen doch den Ministerialdirektor von Webern
im Unterrichtsministerium?“
    Der Direktor kannte ihn zwar nicht. Er
konnte ihn auch nicht kennen. Einen Webern gab es
zwar, aber der war ohne „von“ und lieferte Hans in Berlin die Kohlen. Immerhin
machte aber der „Onkel Ministerialdirektor“ einigen Eindruck. Knauer war nicht
für Konflikte.
    „Ich nehme als selbstverständlich an,
daß Ihre Zechgenossen keine Schüler unserer Anstalt sind“, sagte er und einigte
sich mit Hans Pfeiffer auf eine saftige Strafarbeit, die am kommenden
Nachmittag um halb fünf eigenhändig bei ihm abzuliefern sei. Zur Verschärfung
der Strafe und Empfangnahme einer ausführlichen Verwarnung.
     
    *
     
    Als Brett am nächsten Morgen die
Oberprima betrat, mußte er süffisant lächeln. Alle hatten die Sonntagsanzüge an
und ihre schönsten Hemden. Alle waren gekämmt und rasiert, geschniegelt und
gebügelt. Wie zu einer Hochzeit. Rudi Knebel wetteiferte im Glänzen mit einer
Tomate. Rosen hatte sich mit dem duftigen
Spitzentüchlein seiner Schwester garniert. Der kleine Luck saß auf einem Band
Brockhaus, um größer zu erscheinen. In fiebernder Erregung wartete man auf die
Gemeinschaftsstunde.
    Dr. Brett konnte heute nicht viel mit
den Oberprimanern anfangen. Nach den Freiübungen wurde Hans aufgerufen. Er
versagte und zog sich eine Ansprache zu.
    „Sie sind auch einer von den genialen
Burschen, die alles von selber können. Ich warne Sie! Bei uns lernen Sie
Mathematik, Latein, Französisch,
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