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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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Nachttisch ebenfalls auf vier. Draußen tat es fünf Schläge.
    Alsbald kehrte der Schnauz zurück. Hans
ließ sich nach allen Regeln der Kunst anpfeifen ob seiner Unpünktlichkeit. Das
tat ihm wohl. Als Crey zu Ende war und einen Öbergang sochte zo väterlicher
Ermahnung, zog Hans mit dem Antlitz eines Märtyrers seine Uhr und sagte: „Herr
Professor, eben ist es vier.“
    „Dann gäht Ehre Ohr natörlich falsch.“
    „Vielleicht haben Sie nicht die
richtige Zeit, Herr Professor.“
    „Was Sä necht sagen!“ Er zeigte auf
seine diversen Uhren und wurde zusehends kleinlauter. Und stellte zu guter
Letzt seine eigene Taschenuhr zurück. Sie war überstimmt.
    Crey ist namenlos unglücklich, daß er
einen Schüler — und sei es auch nur der Pfeiffer — zu Unrecht angepfiffen hat.
Er entschuldigte sich in aller Form.
    „Ich bin Ihnen nicht böse, Herr
Professor. Die Standpauke können wir ja meinem Konto gutschreiben.“
    Inwendig ist ihm weniger keß zumute.
Als er wieder auf der Straße steht, kommt ihm sein ganzes Elend zum Bewußtsein.
Was ist mit Eva?
    Er rennt nach Hause.
    Er weiß nicht warum.
    Sanitätsrat Steinhauer ist ins Bad
gereist, seine Säuferleber auszuspülen. Knoll hat seinen Wohnsitz verlegen
müssen. Er war es satt, sich immer wieder von Frau Windscheid die Leviten lesen
zu lassen. Und ist mit seinem Verhältnis über alle Berge.
    Hans zieht sich in sein Zimmer zurück.
Unten wird geschellt. Hans geht öffnen. Ein Kind gibt einen Brief für ihn ab.
    Offenbar von Eva. Er schlitzt ihn auf.
Seine Hand zittert. Er liest. Wird blaß, knüllt den Brief zusammen und pfeffert
ihn auf den Boden. Setzt sich auf eine Kiste mit leeren Flaschen und stiert auf
das Papierkügelchen. Dann hebt er es auf, streicht es umständlich und
sorgfältig auseinander und steckt es ein.
    Frau Windscheid hört, wie er
unaufhörlich mit schweren Schritten in seinem Zimmer auf und ab stampft. Immer
auf und ab.
    Schon eine halbe Stunde. Länger.
    Sie fragt, ob sie ihm einen Tee
bereiten soll. Hans stößt einen entsetzlichen Fluch aus und rasselt die Treppe
hinunter. Auf die Straße. An die Luft.
    Sinnlos wandert er durch die Stadt.
Kreuz und quer, ohne Ziel. Er kommt durch Straßen, die er noch nie gesehen hat
— und das will in diesem Städtchen viel heißen.
    Er hat die letzten Nächte schlecht
geschlafen. Alles in ihm lechzt nach Durchlüftung und Freiheit. Er verspürt das
Bedürfnis, sich körperlich müde zu machen. Ziellos tappt er durch die Gassen.
Beim Gärtner Molinar macht er halt. Der Sohn züchtet Kakteen, der Alte
Orchideen. Hans kauft einen Busch Cymbidium Lowianum, für fünfundzwanzig Mark.
Das sind hundert Blüten. Heute ist Freitag. Sonntag vormittag sind die
Orchideen bei Fräulein Knauer abzugeben.
    Als er draußen ist, rennt er zurück.
Bestellt die Blumen wieder ab. Es wäre ein Irrtum. Der Gärtner sieht ihn groß
an und gibt ihm achselzuckend das Geld wieder heraus.
    Es dämmert. Sterne stechen durch die
flirrende Himmelskuppel. Die Giebel verschwinden, die Menschen sind wie unter
Wasser. Babenberg wird Vineta. Aber das Pflaster ist alles andere als
traumhaft. Wie kann man nur so holprig sein! Die Sohlen schmerzen.
    Nicht nach Hause. Nur nicht nach Hause.
Er humpelt weiter.
    Plötzlich hat er eine Vision. Er sperrt
Mund und Nase auf und greift sich an den Kopf. Er ist wahnsinnig geworden:
    Vor ihm stehen, wie aus dem Erdboden
gezaubert, seine Kumpane von der Feuerzangenbowle: Justizrat Fleisch, der alte
Etzel und Geheimrat Fröbel.
     
    *
     
    Da saßen sie nun in dem kleinen
Hinterstübchen bei Axmacher am Markt, zusammen mit dem Primaner Hans Pfeiffer.
    Für die alten Herren war das ganz neu:
Hans Pfeiffer mußte sich immer wieder die Pennälermütze aufsetzen, ein
Parzivalgesicht machen und mit dem Finger aufzeigen. Sie wollten sich darüber
schier zu Tode lachen.
    Dann aber mußte er erzählen.
    Sie hatten sich in Berlin ernstlich
Sorge um ihn gemacht, als sie rein gar nichts von ihm hörten. Er war, wie die
meisten Schriftsteller, von einer bemerkenswerten Schreibfaulheit; auf Briefe
antwortete er nur dann, wenn er sich über sie ärgerte. Einmal hatte man bei
Marion angerufen, aber die hatte eingehängt. Schließlich bekamen es die Herren
von der Feuerzangenbowle, die ja als Väter des Gedankens auch eine gewisse
Verantwortung hatten, mit der Angst; eine dreiköpfige Abordnung setzte sich
kurz entschlossen auf die Bahn, um nach dem Rechten zu sehen. Und nun waren sie
hier.
    Hans also
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