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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle
Autoren: Heinrich Spoerl
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ordentliche Kammer bei anständigen und
rechtschaffenen Leuten. So, jetzt wissen Sie Bescheid.“
     
    *
     
    Am Nachmittag ging Hans Pfeiffer auf
die Budensuche.
    Der Gasthof Axmacher, den er jetzt
verlassen mußte, war das schönste und größte Gebäude am Markt. Es war weithin
erkenntlich durch seinen rosafarbenen Bonbonanstrich und durch die großen,
kugelförmigen Lorbeerbäume am Portal. Daneben war die Post. Neben der Post die
Apotheke. Vor der Post hielt der Omnibus, der zweimal am Tage fuhr; niemand
wußte, woher und wohin. Aus der Tür der Apotheke roch es nach Aloe, und im
Schaufenster wurde Knoblauchsaft gegen Arterienverkalkung empfohlen. Der
Apotheker betrieb nebenbei eine Limonadenfabrikation und hieß Mäusezahl.
Mäusezahl hieß übrigens auch der Schreinermeister, bei dem die Babenberger sich
ihre Betten, Küchenschränke, Vertikos und Särge anfertigen ließen. Und
Mäusezahl hieß auch das große Geschäft an der Ecke zur Mühlengasse, wo man
Sensen, Türschlösser und Milchzentrifugen kaufen konnte. Hans Pfeiffer hatte in
dem Adreßbuch, das so dick war wie ein Lokalfahrplan, festgestellt, daß nicht
weniger als sechzehn Einwohner auf den Namen Mäusezahl hörten. Und das
Merkwürdigste: sie waren alle etwas, diese Mäusezahls. Sie waren gewissermaßen
die oberen Zehntausend des Städtchens oder, vielleicht besser gesagt, eine Art
bürgerliche Dynastie. Nur einer war Kellner; aber er schrieb sich Mäusezal ohne
h. Offenbar eine degenerierte Seitenlinie.
    Es war noch früh am Nachmittag. Der
Schutzmann Trommel, der mitten auf dem Markt den sogenannten Verkehr zu
bändigen hatte, befand sich in Mittagsruhe. Denn solange er unter der Normaluhr
stand, fuhren die Wagen, Karren und Radfahrer säuberlich die Ecken des Marktes
aus. Wenn Trommel aber zu Tisch war, fuhren sie quer darüber weg.
    Hans sog mit Behagen die Luft der
kleinen Stadt in die Nase. Es roch hier nicht nach Asphalt und Benzin; aber es
gab sehr viele Pferde und noch viel mehr Spatzen, denen die Säuberung des
kugeligen Pflasters oblag. Außerdem wurde auffallend viel radgefahren. Junge
Frauen spazierten, ihren Kinderwagen schiebend, durch die Sonne. Andere standen
hinter den Gardinen. An vielen Fenstern befand sich ein Spion. Die Häuser waren
meist ein- oder zweistöckig und hatten breite Toreinfahrten, vor denen Männer
in Hemdsärmeln standen. Alle hatten furchtbar viel Zeit. Niemand war eilig.
Sogar die Fliegen schienen hier langsamer zu fliegen. Alles schwang seinen
langsamen Pendelschlag.
    Die einzige Ausnahme war der Herr Purz,
wenn er in seinem Barbiersalon seine Kunden mit übertriebener Geschäftigkeit
bediente. Hans ließ sich gern bei ihm rasieren; denn es tat ihm wohl, dort
sozusagen wie ein Erwachsener behandelt zu werden. Der Laden war düster. Deshalb
brannte Gas. Die Wasserleitung bestand in einem Reservoir an der Decke, das der
Lehrling am Tage mehrmals vollpumpen mußte. Rasieren kostete mit „Kolonj“ 20
Pfennig. Die Journale des Lesezirkels Petrusckke waren ein Vierteljahr alt.
Viel gekauft wurden Schnurrbartbinden.
    „Guten Tag, Herr Pfeiffer. Wie geht’s —
wie steht’s? Schon gut eingelebt? — Famoses Frauenzimmer, was?“
    Er meinte damit ein Bild in der
„Eleganten Welt“, in der Hans Pfeiffer herumblätterte.
    „Famoses Frauenzimmer, was? Na, wenn
man verheiratet ist, sind das alles platonische Dörfer. Ja, ja, meine Frau war
mal ganz ähnlich in ihrer Jugend. Schönheit vergeht, Tugend besteht. Das heißt,
heute gibt’s keine Tugend mehr. Zu meiner Zeit war das anders, junger Herr. Als
ich verlobt war, mußte immer der jüngere Bruder mitgehen. Meine Frau stammt
nämlich aus einem besseren Hause. Alfons hieß ihr Bruder. Hat ganz nett dabei
verdient. — Zufrieden mit dem Messer? — Von den Eltern bekam er jedesmal einen
Groschen, daß er mitging, wenn ich mit seiner Schwester ausging. Und von mir
einen Groschen, daß er nicht mitging. — Am Halse nicht gegen den Strich? Ganz
wie Sie befehlen. — Aber dann verlangte Alfons zwei Groschen. Nun, man läßt
sich nicht lumpen. Dann fünf Groschen. Was blieb mir anders übrig? Aber als er
dann unverschämt wurde und eine Mark verlangte — wissen Sie, was wir dann
gemacht haben? Da haben wir geheiratet. Heute ist Alfons ein wohlhabender Mann.
Oben in der Gegend von Danzig. Sprit und so. — Kollonj angenehm? Bitte sehr.“
    Am selben Nachmittag zog Hans Pfeiffer
um. Und zwar zu Frau Windscheid, die ihm von Purz auf das wärmste empfohlen
war.
    Frau
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