Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwörungsmelange

Verschwörungsmelange

Titel: Verschwörungsmelange
Autoren: Hermann Bauer
Vom Netzwerk:
1

     
    Übel gelaunt lehnte Leopold an der Theke und
ließ seinen Blick mit kleinen, leicht geröteten Augen desinteressiert durchs
Café Heller schweifen. Die energische Stimme von Frau Heller weckte ihn aus
seinen Träumen: »Schauen Sie nicht ins Narrenkastl [1] , Leopold.
Die Melange hier ist für die Frau Fürthaler, haben Sie das schon wieder
vergessen? Die wird sich was Schönes denken, wenn Sie so teilnahmslos dastehen
und ihren Kaffee kalt werden lassen. Was ist denn los mit Ihnen?«
    »Bitte sehr, bitte gleich, Frau Chefin.« Mit einem Griff, dem
es ein wenig an der gewohnten Souveränität mangelte, nahm Leopold das Tablett
an sich. Sein sonst sicherer Gang wirkte etwas ferngesteuert. »Wohl bekomm’s, gnä‹
Frau«, murmelte er und stellte den Kaffee neben Frau Fürthaler ab, die ihre
Ungeduld mit einem höflichen Lächeln überspielte.
    ›Es ist ein Schub‹, dachte Leopold. ›Jahrelang bin ich älter
geworden, ohne es zu spüren. Das ist jetzt die Strafe.‹ – In Wahrheit war
es nur so, dass er den Alkohol, dem er überhaupt selten zusprach, nun noch
weniger vertrug als ehedem. Gestern, an seinem freien Sonntag, hatte er sich
mit Theo und Erwin getroffen, zwei Freunden, die er schon lange nicht gesehen
hatte. Man war in einem lauschigen Garten beim Heurigen gesessen und hatte die
laue Mailuft sowie das eine oder andere Glas genossen. Wie oft würde man einen
so unbeschwerten Abend denn zukünftig gemeinsam verbringen können? Schließlich
war man in Theos Wohnung bei Kaffee und Hochprozentigem gelandet.
    Jetzt, am Morgen danach, spürte Leopold es im Kopf und in
allen Gliedmaßen. Während sein Magen die Sache erstaunlich gut überstanden
hatte, blieben Arme und Beine schlaff, der Schädel brummte, und die Zunge
fühlte sich an wie Löschpapier. Immer wieder musste er einen neuen Anlauf
nehmen, um seinen Körper in Gang zu bringen. Dabei rätselte er, ob es nur an
seinem trägen Hirn lag, das sich schwer tat, die richtigen Befehle auszuteilen,
oder ob ihn tatsächlich schon das Alter packte.
    Frau Heller blieb unbarmherzig: »Das Cola hier bewegt sich
auch nicht von allein zu dem jungen Mann am Billard«, nörgelte sie. »Mein Gott,
muss man Ihnen heute alles wie einem kleinen Kind erklären, Leopold?«
    Sie hat leicht lachen, dachte Leopold. Ihr geht’s ja gut.
Wenn ich wenigstens so anschaffen könnt wie sie und mir nicht alles sagen
lassen müsst.‹ Er schleppte sich mit dem Cola die paar Schritte bis zum zweiten
Billardtisch. Dabei fiel ihm unangenehm auf, wie gut aufgelegt seine Chefin um
diese Zeit schon war. Sie schien den frühsommerlichen Morgen zu genießen und
erfreute sich an den Geräuschen, die von der Kaffeemaschine kamen. Ein Lächeln
huschte über ihr Gesicht, als sie Leopold bei der umständlichen Verrichtung
seiner Tätigkeiten beobachtete.
    »Es ist ein Schub«, erklärte Leopold wie als Antwort auf ihre
erheiterten Blicke. »Ich bin gewissermaßen hier im Kaffeehaus gealtert. Leider
ist das bis jetzt niemandem so richtig aufgefallen, auch mir nicht. Ich hoffe
nur, dass ich meinen Dienst weiterhin ordentlich versehen kann. Derzeit schaut
es nicht gut aus.«
    »Aber Leopold«, entgegnete Frau Heller belustigt. »Wie äußert
sich denn dieser ›Schub‹, von dem Sie da sprechen? Etwa dadurch, dass Ihre
Äuglein ganz klein und rot werden? Lassen Sie doch Ihre Spassettln [2] . Sie
haben gestern ein wenig zu viel Alkohol erwischt, geben Sie’s zu.«
    »Das auch«, stöhnte Leopold und wischte sich den Schweiß von
der Stirn. Wie anstrengend schon die kleinsten Bewegungen sein konnten. Nur
gut, dass derzeit niemand Anstalten machte, eine weitere Bestellung aufzugeben.
    »Wenn Sie schon glauben, dass Sie Ihr Alter und die Arbeit
hier im Kaffeehaus spüren, dann sollten Sie sich an Ihrem freien Tag ausruhen
und nicht die Nacht durchfeiern«, fuhr Frau Heller amüsiert fort. »Aber es sei
Ihnen verziehen. Am nächsten Sonntag müssen Sie ohnehin zum Dienst erscheinen.
Da sperren wir nämlich auf.«
    »Am Sonntag?« Leopold spürte einen Stich, dass er gar nicht
mehr gerade stehen konnte.
    »Jawohl, am nächsten Sonntag. Da ist doch am Vormittag dieses
wichtige Fußballspiel [3] unserer
Mannschaft Eintracht Floridsdorf.«
    »Sie meinen das Bezirksderby gegen die Floridsdorfer
Kickers?«
    »Genau das. Jahrelang haben wir bei Heimspielen unseres
Vereins alle möglichen Lokale verdienen lassen, weil wir sonntags geschlossen
haben.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher