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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Rae Carson
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1

    D ie Wachleute, die mich begleiten, versuchen mit mir Schritt zu halten, während ich die Flure des Palastes entlangeile. Dienstboten mit gestärkten Kleidern und polierten Schuhen flankieren meinen Weg und verbeugen sich wie fallende Dominosteine. Von irgendwoher ist ein leises Raunen zu hören, das sogar die steinernen Mauern durchdringt, so unaufhörlich wie rauschendes Wasser und so dumpf wie weit entfernter Donner. Die Menge im Freien skandiert meinen Namen.
    Mit viel Schwung biege ich um eine Ecke und pralle gegen einen schimmernden Brustpanzer. Starke Hände packen meine Schultern und verhindern, dass ich nach hinten taumele. Meine Krone hat weniger Glück. Das riesige Ding fällt klappernd zu Boden und reißt mir dabei schmerzhaft ein paar Haare aus.
    Der Mann vor mir lässt meine Schultern los und reibt sich einen roten Fleck am Hals. » Eure Krone ist eine ziemlich gefährliche Waffe«, sagt Lord Hector, der Kommandant der Königlichen Leibgarde.
    » Entschuldigt bitte.« Blinzelnd sehe ich zu ihm auf. Er und die anderen Gardisten haben sich zur Feier unseres jüngsten Sieges die Schnurrbärte abrasiert, und ich muss mich an diesen neuen, jünger aussehenden Hector erst gewöhnen.
    Ximena, meine grauhaarige Kinderfrau, bückt sich, um die Krone aufzuheben, und reibt sie wieder blank. Der Kopfschmuck ist ein Reif aus breitem, dickem Gold, in den ein rund geschliffener Rubin eingearbeitet ist. Ich wollte kein zierliches Königinnen-Diadem. Stattdessen trage ich die Krone eines Monarchen mit umfassender Befehlsgewalt.
    » Ich hatte Euch schon vor einer Stunde erwartet«, bemerkt Lord Hector und bietet mir seinen Arm. An seiner Seite haste ich weiter durch den Korridor.
    » General Luz-Manuel hat mich aufgehalten. Er wollte die Route der Parade noch einmal ändern.«
    Hector bleibt so unvermittelt stehen, dass ich beinahe das Gleichgewicht verliere. » Schon wieder?«
    » Er möchte den Engpass vermeiden, an der die Avenida de la Serpiente die Händlergasse kreuzt. Seiner Meinung nach könnte mich jemand aus der Menge dort viel zu leicht mit einem Speer durchbohren.«
    Ximena nutzt den kurzen Halt, um mir die Krone wieder auf dem Kopf zurechtzurücken. Ich verziehe das Gesicht, als sie die Haarnadeln durch die Samtschlaufen schiebt, um sie festzustecken.
    Hector schüttelt den Kopf. » Aber die Dächer sind in diesem Viertel sehr niedrig. Ihr seid dort sicherer vor Bogenschützen, die eine viel größere Gefahr darstellen.«
    » Genau das habe ich ihm auch gesagt. Er war… nicht gerade begeistert.« Ich zupfe an Hectors Arm, um ihn zum Weitergehen zu bewegen.
    » Er sollte es besser wissen.«
    » Das habe ich ihm wohl auch deutlich gemacht.«
    » Ich bin mir sicher, dass er das zu schätzen wusste«, erwidert Hector trocken.
    » Ich begreife nicht, welchen Vorteil er sich davon versprochen haben mag«, überlege ich. » Was es auch gewesen sein könnte, es war etwas, das ich ihm nicht gewähren wollte.«
    Hector sieht sich um, mustert die Leute, die die Flure säumen, und fährt dann mit leiser Stimme fort: » Elisa, als Euer persönlicher Leibwächter muss ich Euch noch einmal bitten, über die Parade nachzudenken. Die ganze Welt weiß, dass Ihr den Feuerstein tragt.«
    Mit einem Seufzer wappne ich mich gegen die Wahrheit in seinen Worten. Ja, inzwischen verfolgen mich religiöse Fanatiker, Spitzel aus Invierne und sogar Edelsteinhändler vom Schwarzmarkt. Aber meine Geburtstagsparade ist der eine Tag im Jahr, an dem das ganze Volk– die Wäscherin ebenso wie der Stalljunge oder der wettergegerbte Seemann– einen Blick auf seine Regentin erhaschen kann. Es ist ein Feiertag im ganzen Land, auf den sich alle seit Monaten freuen. Diese Freude will ich ihnen nicht verderben.
    Und auf keinen Fall will ich erlauben, dass mich die Angst beherrscht. Das Leben, das mir bevorsteht, ist das einer Königin. Ich habe dieses Leben gewählt. Ich habe sogar darum gekämpft. Und ich kann– nein, ich werde nicht zulassen, dass es durch Furcht beeinträchtigt wird.
    » Hector, ich werde mich nicht im Sand eingraben wie ein ängstlicher Jerboa.«
    » Manchmal«, wirft Ximena mit ihrer sanften, aber doch entschiedenen Stimme ein, » ist es zu Elisas Schutz nötig, dass ihre Interessen gewahrt werden. Elisa muss sich öffentlich zeigen. Diese ersten Monate sind entscheidend für die Konsolidierung ihrer Macht. Wir werden für ihre Sicherheit sorgen, Lord Hector, Ihr und ich. Und bei Gott, sie ist zu einem großen Schicksal
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