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Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Rae Carson
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ausersehen…«
    Ich überhöre ihre Worte absichtlich. Im letzten Jahr ist so viel geschehen, aber ich habe noch immer nicht das Gefühl, meinem Schicksal näher gekommen zu sein als damals, vor siebzehn Jahren, als Gott seinen Stein in meinen Nabel pflanzte. Er pulsiert immer noch vor Energie, erwärmt sich bei meinen Gebeten und ruft mir in Erinnerung, dass ich noch nicht genug getan habe, dass Gott noch immer Pläne mit mir hat.
    Und es geht mir unglaublich auf die Nerven, das immer wieder und wieder gesagt zu bekommen.
    » Ich verstehe, Lady Ximena«, erwidert Hector. » Aber es wäre sicherer…«
    » Hector!«, unterbreche ich ihn brüsk. » Ich habe mich entschieden.«
    Er richtet sich auf. » Jawohl, Euer Majestät.«
    Scham schnürt mir die Kehle zu. Wieso habe ich Hector so angefahren? Eigentlich bin ich doch wütend auf Ximena.
    Kurz darauf erreichen wir die Stallungen. Der Geruch nach Pferdedung und verschimmeltem Stroh ist an diesem fürchterlich heißen Tag geradezu betäubend. Die offene Kutsche steht bereit, ein Wunder aus poliertem Mahagoni und verschnörkelten Bronzeornamenten. An den Streben flattern Banner in königlichem Blau. Die Türblätter zeigen mein Wappen– eine Rubinkrone, die auf einem Bett von Sakramentsrosen ruht.
    Fernando, mein bester Bogenschütze, steht auf der hinteren Plattform, den Bogen über die Schulter geschlungen. Er verbeugt sich tief mit ernstem Gesicht. Vier Pferde schlagen mit den Schweifen und tänzeln in ihrem juwelenbesetzten Geschirr. Ich behalte sie misstrauisch im Auge, während Hector mir beim Einsteigen hilft.
    Dann bietet er auch Ximena seine Hand, und trotz ihrer kleinen Auseinandersetzung vor ein paar Minuten tauschen die beiden einen Blick harter, entschlossener Übereinkunft. Sie sind ein großartiges Gespann, mein Leibwächter und meine Beschützerin. Manchmal kommt es mir vor, als würden sie sich hinter meinem Rücken zu meiner Sicherheit gegen mich verschwören.
    Hector gibt den Befehl zum Abfahren, der Kutscher schnalzt mit den Zügeln, und das Gefährt setzt sich ruckartig in Bewegung. Meine Königliche Leibgarde schreitet in schimmernden Gala-Rüstungen neben uns her. Die Männer fallen in einen rhythmischen Eins-Zwei-Eins-Zwei-Schritt, als wir den Schatten der Stallungen verlassen und die pralle Wüstensonne auf uns niederbrennt.
    Kaum biegen wir auf die Kolonnade ein, brandet lauter Beifall auf.
    Tausende säumen den Weg, stehen dicht aneinandergedrängt da, winken mit den Händen, mit Taschentüchern oder ausgefransten Leintüchern. Kinder sitzen hoch auf den Schultern der Erwachsenen und werfen Saatkörner und Rosenblätter in die Luft. Ein Banner, das sechs Zuschauer überspannt, trägt die Aufschrift HERZLICHE GLÜCKWÜNSCHE ZUM GEBURTSTAG IHRER MAJESTÄT KÖNIGIN LUCERO - ELISA !
    » Oh«, hauche ich.
    Ximena ergreift meine Hand und drückt sie fest. » Du bist eine Kriegsheldin, schon vergessen?«
    Trotzdem bin ich aber auch die ausländische Königin, die durch eine Reihe von Zufällen, durch Krieg und Ehe auf den Thron gekommen ist. Wärme und Stolz wallen bei diesem Anblick in meiner Brust auf: Mein Volk hat mich mit ganzem Herzen anerkannt.
    Dann sieht mich Ximena wieder nüchtern an, beugt sich vor und flüstert: » Bewahre diesen Augenblick in deinem Herzen, mein Himmel. Keinem Herrscher bleibt die Zuneigung seines Volkes gewiss.«
    Ich nicke aus gewohntem Respekt, verziehe aber doch unwillkürlich das Gesicht. Mein Volk macht mir ein solches Geschenk, und sie nimmt es mir so schnell wieder weg.
    Die Kolonnade führt einen steilen Abhang hinunter und wird nun auf beiden Seiten von dekadenten, dreistöckigen Stadthäusern gesäumt. Ihre fein gemeißelten Sandsteinsimse schimmern in der Sonne, und auf den flachen Gartendächern flattern seidene Standarten. Je weiter wir jedoch unter rauschendem Beifall von den Höhen der Stadt in tiefer gelegene Viertel vordringen, desto weniger elegant wirken die Stadtvillen, bis wir schließlich die äußeren Bezirke erreichen, in denen sich nur noch wenige bescheidene Gebäude zwischen den Trümmern erheben, die der Krieg hinterlassen hat.
    Diese Spuren der Zerstörung versuche ich solange zu ignorieren, wie es irgend möglich ist, indem ich meinen Blick fest auf die gewaltige Stadtmauer richte. Sie erhebt sich mehrfach mannshoch und beschützt uns vor den dahinter tobenden Wüstenwinden. Mit gerecktem Hals kann ich die Soldaten sehen, die zwischen den Zinnen der Brustwehr postiert sind und ihre
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