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Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)

Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
Autoren: Sandy Williams
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1
    M eine Haut prickelt einen Moment, bevor ein weißer Lichtblitz im vorderen Teil des Hörsaals aufflackert. Ich beiße die Zähne zusammen, blicke konzentriert auf meinen Antwortbogen und weigere mich, den diesen Lichtriss in meine Welt eintretenden Fae zu registrieren. Es ist mir völlig egal, ob es der König höchstpersönlich ist, ich werde diesen Test heute bestehen.
    Ich male das C auf meinem Antwortbogen schwarz aus und lese dann die nächste Frage.
    »McKenzie.«
    Es ist Kyol. War ja klar, dass der Hof ihn schicken musste.
    »McKenzie«, wiederholt Kyol. »Wir müssen los.« Niemand sonst kann ihn hören oder sehen, obwohl er meinen Professor überragt, der nicht einmal einen halben Meter von ihm entfernt steht. Meine Kommilitonen beugen sich weiterhin über ihren Multiple-Choice-Test und sind total auf ihre Abschlussprüfung fokussiert. Ich umkralle meinen schwarzen Stift und fülle einen weiteren Kreis komplett aus.
    Der Fae steigt die Stufen zu meinem Platz in der fünften Reihe hinauf. Ich weigere mich noch immer, ihm in die Augen zu sehen, und schüttle den Kopf. Ich habe ihm – ich habe ihnen allen – gesagt, dass sie mich diese Woche in Ruhe lassen sollen, aber keiner der Fae versteht, warum ich diesen Abschluss brauche, da sich doch der Hof um all meine Bedürfnisse kümmert. Ich habe ihnen erklärt, dass ich ein Mensch bin. Ich habe die Bedürfnisse eines Menschen, will wie ein Mensch leben, und es sollte keine acht Jahre dauern, einen Bachelor of Arts in Englisch zu machen. Sie haben mir nicht zugehört. Zumindest Kyol hatte das nicht.
    Nicht jetzt! , hätte ich am liebsten geschrien, doch selbst das leiseste Flüstern hätte die Stille im Hörsaal gestört. Ich starre auf meinen Test, mein langes Haar fällt auf die Tischplatte. Es bildet einen braunen Vorhang und schirmt mich gegen Kyol ab, während ich Frage zehn erneut lese. Der Krieg des Hofs kann warten, bis ich fertig bin.
    Kyol legt eine Hand auf meine Schulter, und eine angenehme Wärme breitet sich unter dem schmalen Träger meines dunkelroten Cami-Tops aus. Wären wir alleine, dann würde ich Kyols Berührung genießen, ihn genießen, seine Hitze, seinen Geruch – ihn in mich aufnehmen –, aber nicht hier, nicht jetzt, mitten in einer Prüfung, die ich bestehen muss . Ich rutsche zur Seite und versuche, ihn abzuschütteln. Als seine Hand liegen bleibt, schlage ich mit der Faust auf den Tisch.
    Meine Kommilitonen drehen den Kopf und starren mich an, und Dr. Embry runzelt die Stirn. Na, super.
    »Nummer zehn«, sage ich und lache nervös. »Ganz schön knifflig.« Stimmt gar nicht. Es geht um das Werk von C. S. Lewis. Ganz leicht. Ich fülle A aus.
    Kyol zieht an meiner Schulter, und ich winde mich erneut. Ich kann unmöglich zum dritten Mal bei diesem Test durchfallen. Ich brauche meinen Abschluss, und es ist mir egal, ob Kyol vor all meinen Kommilitonen seine Unsichtbarkeit verliert! Mein Hintern bewegt sich nicht, bis ich den Test beende und meine Antworten dreimal überprüfe! Basta!
    »Wir haben keine Zeit zu vergeuden«, sagt Kyol. »Die Rebellen haben dich gefunden.«
    Ich hole tief Luft, halte sie an, als ich die Augen für einen kurzen, flüchtigen Moment schließe, atme dann aus, werfe meinen Stift in meinen Rucksack und stehe auf.
    »Es tut mir leid«, sage ich zu meinem überraschten Professor. »Ich muss weg.«
    Während ich mich umdrehe, um die Stufen hinaufzuhasten, steht Kyol bereits wartend am Eingang zum Hörsaal. Ich bereite mich auf die Woge an Emotionen vor, die gleich kommen wird, und sehe ihm endlich in die silbernen Augen. Die meisten Menschen können nicht hinter seine harte, unnachgiebige Schale sehen, ich jedoch schon. Ich habe seine Augen im Mondlicht weicher werden und glänzen sehen. Ich habe ein Lächeln auf diesen Lippen gesehen, ein Lachen aus dieser breiten Brust kommen hören. Und dennoch umgibt ihn selbst in diesen wenigen sorglosen Momenten eine bestimmte Erhabenheit, als könne er mitten auf einem Schlachtfeld stehen und die Linien des Feindes mit einem kühlen Blick durchbrechen.
    Er greift nach der Tür. Ich ignoriere meine Gefühle und komme ihm zuvor, da meine Kommilitonen nicht sehen sollen, wie sich die Hörsaaltür scheinbar von alleine öffnet. Er sieht auf mich herab, und ein blauer Blitz zuckt von seinem Kinn zu seiner Schläfe hinauf, verschwindet dann in seinem dunklen Haar. Ein weiterer Blitz schießt im Zickzack über die Hand auf seinem Schwert. Das sind Chaosschimmer, visuelle
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