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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin
Autoren: Davenat Colette
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geschmolzenes Gold in die Augen gießen. Ich … Seht Ihr! ich brauche nur davon zu reden, schon werde ich wieder zur Barbarin! Und wie töricht wäre es, diesen unseren letzten Abend und die erhabene Stille unserer Berge zu trüben, indem ich weiter gegen etwas wetterte, gegen das ich ohnmächtig bin.
    Kommen wir also auf die Worte meines liebenswürdigen Bischofs zurück. Über ihn kann ich immer nur Lobendes sagen.
    »Wie Ihr wißt, meine liebe Tochter«, fuhr er fort, »können die Kinder eines Encomendero die ihrem Vater überlassenen Rechte erben. Wenn aber die Ehe unfruchtbar war wie in Eurem Fall, ist die Witwe verpflichtet, sich wieder zu verheiraten, womit besagte Vorrechte auf den neuen Gatten übergehen. Um die Privilegien nicht einzubüßen, die mit der Encomienda des seligen Bartolomé Villalcázar verbunden sind, seid Ihr also gezwungen, eine Wiedervermählung ins Auge zu fassen.«
    »Ehrwürden«, entgegnete ich, »ich bin glücklich, daß Ihr das Problem ansprecht. Auch ich hatte darüber mit Euch reden wollen. Ich sagte Euch ja, allein der Gedanke an eine Wiedervermählung ist mir unerträglich. Und, offen gesagt, mein persönliches Vermögen unter Vormundschaft zu stellen …! Nein, anstatt daß ein Gatte es verwaltet, will ich darüber doch besser nach meinem Belieben verfügen. Männer scheuen Wohltaten, und mir liegen sie sehr am Herzen. Kurz, es gibt eine Lösung, die ich Euch erläutern will. Sie hängt einzig von Eurer Zustimmung und der Einwilligung des Gouverneurs La Gasca ab. Ich wünschte, daß die Einkünfte dieser Encomienda der Kirche oder einem Orden Eurer Wahl zuflössen. Sie könnten zum Unterhalt eines Hospizes dienen. Ich verpflichte mich, es auf dem Gut auf meine Kosten erbauen zu lassen. Die Conquista hat ihre Erwählten, aber auch ihre Pechvögel gehabt. Wie viele spanische Soldaten schleppen ihr Elend und ihre Verbitterung fußlahm und völlig abgerissen über die Landstraßen, falls sie nicht in die Dörfer gehen, wo die Versuchung groß ist, sie zu allen körperlichen Leiden auch noch moralisch zu erniedrigen. Das Hospiz stünde ihnen offen. Wir könnten sie sogar, je nach ihren Befähigungen, zur Arbeit anstellen. Unser Inka, der große Huayna Capac, pflegte zu sagen: ›Wenn das Volk nichts zu tun hat, laß es einen Berg abtragen und an einen anderen Ort versetzen. So wird Ordnung herrschen.‹ Das ist nur ein Gleichnis. Aber wessen Hände tätig sind, dessen Geist ist ruhig und wendet sich lieber Gott zu als dem Teufel …«
    Gouverneur La Gasca, der durch seine Schlichtheit die Hoffahrt und den Kleiderprunk seines Gefolges beschämte, stattete Cuzco einen Besuch ab. Mir wurde die Ehre zuteil, dem Bankett, das die Stadtverwaltung für ihn gab, zu seiner Rechten sitzend beizuwohnen. Und als Antonio de Mendoza, der neue Vizekönig, La Gasca ablöste, führte ihn der Herr Bischof selbst an meine Tafel, und wir speisten miteinander. Seitdem regierte ich mit.
    Keine hohe Persönlichkeit kommt in die Gegend, ohne einen Abstecher nach meinem Haus vorzusehen. Die Autoritäten von Cuzco, manchmal sogar die Regierung in Lima fragen mich um Rat, hauptsächlich in Rechtsstreitigkeiten zwischen Parteien meiner Rasse und der Eurigen. Jede in Spanien beschlossene Maßnahme wird mir unterbreitet, kaum daß das Schiff im Hafen liegt. Aus allem sauge ich meinen Honig.
    Erschließt Euch das Herz der Mächtigen durch Eure Großzügigkeit, schmeichelt der Eitelkeit der Männer und schont die Eifersucht der Frauen, haltet gute Tafel, das Ohr offen und den Mund verschwiegen, bezeigt den Dienern die gleiche Höflichkeit wie den Herren, verpflichtet Euch die Demütigen, und man wird Euch lobpreisen!
    Natürlich bekenne ich, daß meine Vergangenheit viel dazu beigetragen hat.
    Wie schmeichelt es dem spanischen Stolz, mich vorzuzeigen, mich, eine Frau meiner Rasse, von den Lastern, die man uns zuschreibt, gereinigt und frisch in den Farben der Tugend übermalt, aufs wunderbarste von Eurer wunderbaren Zivilisation durchdrungen, das vollkommene Beispiel einer Integration, wie sie die Schöngeister sich gelungener nicht wünschen können!
    Das Heucheln hat mich wenig gekostet und wurde mir niemals über. Im Gegenteil. Es bereitete mir stets eine Wonne, Eure Leute zu täuschen. Denn haben sie nicht damit angefangen, haben sie sich nicht dargestellt als unsere Retter und waren doch Wölfe und Geier?
    ***
    Dies ist unsere letzte Rast.
    Wie auch immer Ihr über mich urteilen werdet, Pater Juan, habt
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