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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin
Autoren: Davenat Colette
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mehr beißen können, weil derjenige, an den man sich wendet, sie nicht mehr hört?
    Ich erhob mich.
    »Komm«, rief ich, »es ist soweit.«
    Marca Vichay schleppte Villalcázar zum Lager. Die Bedienten bauten eine Trage. Wir stiegen ab.
    Von Ollantaytambo jagte Marca Vichay im Galopp zum Palast. Dort würde er nur das Pferd gegen ein frisches wechseln, um so schnell wie möglich nach Cuzco zu kommen. Meinen Instruktionen gemäß sollte er zum Bischofssitz reiten und in meinem Namen den Bischof beschwören, uns den besten Arzt der Stadt zu schicken.
    Der Arzt, der nach Yucay geeilt kam, war ein Freund von Villalcázar. Beide waren im Dienst der Pizarros von Schlachtfeld zu Schlachtfeld gezogen. Er kannte sich bestens mit Wundbrand, Brüchen, Wunden und Beulen aus, weniger in der allgemeinen Körperlehre; aber auch jeder andere Praktiker hätte nur den verhängnisvollen Zusammenbruch einer durch jahrzehntelange Abenteuer und Ausschweifungen zerrütteten Konstitution feststellen können, eine Diagnose, die durch die Anfälle bestätigt wurde, unter denen Villalcázar in letzter Zeit gelitten hatte.
    Eine Woche lang wechselten wir, Marca Vichay und ich, einander an seinem Bett ab für den allerdings unwahrscheinlichen Fall, daß er wieder zu Bewußtsein käme. Endlich verlosch er. Ich schloß ihm die Augen.
    Laßt, Pater Juan, versucht es nicht erst, mir Eurem moralischen Wohlbefinden zuliebe Gewissensbisse einzureden! Ich habe getan, was ich tun mußte. Höchstens war mir in den folgenden Monaten ein bißchen kälter. Haß hält warm.
    Die Aufbahrung fand in Cuzco statt. Der Bischof las die Totenmesse. La Gasca schickte an seiner Statt einen engen Vertrauten. Die Persönlichkeiten der Stadt defilierten, auch die reuigen, bekehrten Inkafürsten. Früher war ihnen vor der Großmut, mit der Huascar mich verwöhnte, das Lächeln gefroren. Seit ich unseren Siegern die Füße küßte, quollen sie vor Zuneigung über. Solidarität im Schlamm!
    Villalcázar wurde in Yucay begraben.
    Der Herr Bischof bewegte sich mit glanzvoller Schar dorthin. Eine günstige Gelegenheit, ihn meine Reichtümer aus der Nähe schnuppern zu lassen. Er segnete meine Felder und meinen Palast und zog mit zwei weiteren Vasen aus purem Gold davon.
    Ich blieb mehrere Wochen in meinem geliebten Tal. Dann kehrte ich zurück nach Cuzco.
    Bewerber begannen mich zu belagern.
    Ich beklagte mich beim Bischof, der wieder in meinem Haus verkehrte und zweimal in der Woche bei mir speiste.
    »Können die Männer eine Witwe nicht in Ruhe lassen?«
    »Meine teure Tochter, mein Amt gibt mir die Freiheit, Euch zu antworten – ohne daß Ihr darin Schmeichelei sehen könnt –, daß der Fehler gänzlich bei Eurer Schönheit und Eurem feinen Verstande liegt … Außerdem müßt Ihr zugeben, daß Euer Vermögen nachdenklich macht.«
    »Ehrwürden, Ihr hättet mit Letzterem anfangen sollen! Aber es tut mir leid, meinen Gemahl kann mir niemand ersetzen.«
    Der Bischof langte nach einer gezuckerten Frucht und seufzte.
    »Eure Treue ehrt Euch. Indessen haben materielle Verpflichtungen oft Vorrang vor den Gefühlen. Der Grundbesitz, den Bartolomé Villalcázar Euch hinterlassen hat, ist schließlich eine Encomienda …«
    Pater Juan, wißt Ihr, was eine Encomienda ist? … Ganz recht, dasselbe Prinzip wurde in Spanien zur Zeit der Reconquista gegenüber den Mauren angewandt. Bestimmte verdiente Hauptleute oder Offiziere wurden mit Ländereien belehnt. Sie waren nicht deren Besitzer, sondern hatten den Nießbrauch des Tributs oder der Einkünfte; dafür aber waren sie verpflichtet, ihre heidnischen Dorfbewohner in der christlichen Religion zu unterweisen und sie gut zu behandeln … Aber zwischen den Encomiendas der Maurenzeit in Spanien und denen in Peru besteht ein entscheidender Unterschied: die Entfernung. In Spanien konnten die Encomenderos aus nächster Nähe kontrolliert werden. Hier pfeifen sie auf ihre Pflichten. Es gibt niemand, der sie beachtet, und niemand läßt es sich einfallen, seine Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken. Danach mögt Ihr selbst einschätzen, wie es um die Menschlichkeit steht, derer diese Einrichtung sich rühmen könnte, die zweifellos aus frommen Absichten entstanden ist, die in unserem Land aber im langsamen Mord an einem ganzen Volk mündet!
    Nichts ist mir so verhaßt wie die Encomenderos. Ich würde ihnen bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Ich würde sie mit Pfeffer stopfen, bis sie ersticken. Ich würde ihnen
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