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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin
Autoren: Davenat Colette
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PROLOG
    Für eine Eingeborene, dachte er, ist ihre Haut sehr hell. Alter? Schwer zu schätzen, aber kein Grund, sich dabei aufzuhalten. Ein fesselndes Gesicht … Die Männer dürften ihr Seelenheil riskiert haben, um diesen Mandelaugen die Ruhe zu rauben, diesen Mund zu bezwingen! Unwillkürlich schossen Juan de Mendoza Überlegungen durch den Kopf, die einer versunkenen Zeit seines Lebens entstammten, der Zeit seiner heißblütigen Jugend, die er unter Buße, Gebeten und Kasteiungen begraben wähnte, aber deren heillose Versuchungen die Indianerin jäh in ihm wachrief.
    Haß überschwemmte den Jesuiten, Haß, Abscheu, den alles Weibliche in ihm erregte. Vielleicht weil er sich seiner nicht sicher war, weil er Angst hatte vor seinen männlichen Schwächen? Er verbot sich den Aufruhr. Man hatte ihn zu dieser Frau geschickt, um festzustellen, ob sie schuldig sei, und sie dieser Schuld zu überführen. Wer urteilen will, muß einen kühlen Kopf bewahren.
    »Doña Ines?« begann er. »Ich bin Pater Juan de Mendoza. Wollt Ihr mir vergeben, daß ich in Euer Haus eindringe? Ein sehr angenehmes Haus übrigens.«
    »Ein ehemaliger Palast, wie alle Häuser und Klöster längs dieser Straße. Nach dem großen Brand von Cuzco benutzten Eure Landsleute unsere Granitmauern als Unterbau für ihre leichten, hellen Putzfassaden. Habt Ihr bemerkt, daß in meinem Patio Jasmin und Nelken duften? Pflanzen aus Spanien! Wenn Seine Exzellenz der Vizekönig an meiner Tafel zu speisen geruht, sagt er immer, er fühle sich wie in Sevilla … Aber nehmt doch Platz, Pater. Womit kann ich Euch dienen?«
    »Ihr beherrscht unsere Sprache erstaunlich gut, Señora.«
    Sie lächelte.
    »Euch ist sicher bekannt, daß mein seliger Gemahl Spanier war.«
    Es war ihm bekannt. Und etliches mehr. Sein Ordensgeneral hatte ihm ein Porträt dieser Frau entworfen: nichts wie Feuer und Schwefel! »Nach den bestialischen Bräuchen, die im alten Reich der Inkas herrschten, von Kind an dem Laster geweiht; während der Conquista eine geradezu legendäre Figur des indianischen Widerstands; dann zu unserem Glauben bekehrt und verheiratet mit einem spanischen Hauptmann, einem Vertrauten der Brüder Pizarro, bald darauf Witwe. Ein verdächtiger Aufstieg, der die Anklagen erhärtet, die man gegen sie erhebt, wonach sie in der gesamten Region Cuzco den Götzendienst begünstige und Menschenopfer, Zauberei und andere hexerische Praktiken ermutige, die all unseren Bemühungen zum Trotz unausrottbar fortdauern.
    Die Aufgabe, sie dieser Handlungsweisen zu überführen, kann nur einem Geistlichen anvertraut werden, der den Verhältnissen in Peru fremd gegenübertritt. Denn die königlichen und kirchlichen Autoritäten des Landes schwören auf sie. Gold trübt den Blick, ölt das Gewissen und blendet das Gedächtnis. Vor dem Manna, das sie austeilt, erlischt ihre Vergangenheit … Verschlagen, verrucht, mit dem Satan im Bunde, so wird sie am häufigsten in den Anzeigen genannt, die dem Heiligen Vater gegen sie vorliegen und deren Urheber darauf bestehen, daß ihre Anonymität solange gewahrt bleibe, bis unsere Untersuchungen abgeschlossen sind, denn sie fürchten für ihr Leben … Nur sind Gerüchte und Mutmaßungen eben leider noch keine Beweise, vor allem da die Bezichtigte ein unleugbares Ansehen sowohl bei den Ihren wie bei den Unsrigen genießt! Also brauchen wir Beweise oder, wenn es keine gibt, die gegründete Überzeugung eines scharfsichtigen, lauteren und unparteiischen Geistes …«
    »Se ñ ora«, sagte Juan de Mendoza, »man hat mir Eure Frömmigkeit und Euer großmütiges Herz gerühmt. An diese wende ich mich. Unser Ordensgeneral, Francisco de Borgia, einstiger Vizekönig von Katalonien und mein Verwandter, hat mich mit einer Sondermission betraut, die in erster Linie Seine Heiligkeit den Papst interessiert. Ich wage also, auf Eure Hilfe zu hoffen.«
    »Auch ohne weitergehende Kenntnis, Pater, betrachtet die Hilfe als gewährt. Eurem Glauben anzugehören hat mich so außerordentlich bereichert!«
    »Unser Ziel ist es, die peruanischen Völker besser zu verstehen, ihre Sitten kennenzulernen, zu begreifen, welchen Gesetzen und Instinkten sie gehorchen. Wir haben bereits mehrere Kollegien eingerichtet. Da es unseren Gefährten aber an Ausbildung gebricht, war das Unternehmen bisher wenig erfolgreich. Daher die Schlußfolgerung, daß vor dem Urbarmachen und Bebauen zuerst einmal, und gründlichst, der Boden erforscht werden sollte.«
    »Der Boden?«
    »Ich
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