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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin
Autoren: Davenat Colette
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meinte die Bewohner, Señora.«
    »Ah! Vergebt mir … Fahrt fort.«
    »In Lima stellten mir die Patres einen Dolmetscher. Ich beabsichtige, das Gebiet Dorf für Dorf zu durchstreifen und Verbindungen zu den Einwohnern zu knüpfen. Deshalb …«
    »Verbindungen in den Dörfern knüpfen? Pater Juan! Man merkt, daß Ihr aus Spanien kommt. Peru ist eine andere Welt, eine Welt von Siegern und Besiegten, und die Besiegten sprechen mit den Siegern nicht. Die Spanier haben uns die Früchte ihrer Zivilisation gebracht, einige von uns erfreuen sich ihrer, aber das Volk … ein verschwiegenes, hart arbeitendes Volk, vor allem in den Bergen … unser Volk klammert sich an seine angestammten Bräuche. Was erwartet Ihr anderes? Die gute Zeit ist für das Volk diejenige, als Ihr noch nicht da wart! Selbst die Jugend, die diese Zeit nicht mehr erlebt hat, träumt davon. Und wie wollt Ihr gegen Träume kämpfen? Träumen ist bei diesen Menschen heute das Bestimmende ihrer Existenz. Träumen von dem, was war.«
    »Träumen heißt aber doch, daß man nicht lebt. Eure Worte, Señora, bestärken mich noch entschiedener in meinem Auftrag. Woran es den Unglücklichen mangelt, ist doch, sich im Angesicht Gottes zu entfalten. Ihr, die Ihr sie kennt, könnt ihnen dabei eine große Hilfe sein. Wäre es zuviel verlangt, wenn ich Euch bäte, mich in einigen Dörfern der Umgebung einzuführen? Eure Gegenwart würde mein Vorgehen beglaubigen, würde die Zungen lösen.«
    Auf einmal belebte sie sich, zeigte sich von einer neuen Seite, noch schöner: der Marmor wurde Fleisch.
    »Pater, habt Ihr einmal Chicha getrunken?« fragte sie. »Nicht! Nun, wenn Ihr unser Volk begreifen wollt, dann müßt Ihr damit anfangen. Der Chichawein ist die Milch unserer Erde, und die Erde ist unsere Mutter!«
    Sie erhob sich zu voller Größe. Die Bahnen ihres in leuchtenden Farben bestickten Überwurfs umschwirrten sie wie Vogelschwingen. Sie hinkte leicht. Als sie an einem Spiegel vorüberkam, hielt sie kurz inne. Juan de Mendoza spürte, wie sie ihn beobachtete. Dann nahm sie von einer Anrichte zwei goldene Becher, füllte sie und kam zurück.
    »Ihr werdet unseren Leuten gar nichts entlocken, nichts wird man Euch sagen. Das einzige Mittel, zu erfahren, was in ihren Köpfen steckt, ist, sich über die Vergangenheit kundig zu machen, in der ihr Denken und ihre Herzen befangen bleiben. Ich habe diese Zeit erlebt. Wenn Ihr mit mir zu Abend speisen wollt, kann ich sie Euch schildern … Bestimmt hat man Euch mancherlei über mich erzählt, aber wißt Ihr auch, daß ich in einem Dorf geboren bin und daß meine Eltern einfache Bauern waren?«
    »Ich muß bekennen, nein. Und wenn man Euch sieht, Señora …«
    »Man sollte nie dem Anschein trauen. Die Wahrheit liegt immer woanders.«

1
    Ich möchte, daß Ihr in Eurem Urteil nicht fehlgeht, Pater Juan. Für eine Frau gab es zu der Zeit, von der ich spreche, und gibt es noch heute nur ein Mittel, um sich aus bescheidenen Verhältnissen zu erheben: das Bild, das sie bietet, ist ihr Kapital. Sie muß es gut verwalten. Wenn eine Frau dafür nicht alle in ihr verborgenen Fähigkeiten entfaltet, bleibt sie ihr Leben lang ein bloßes Ding, und eines Dinges wird man satt, man wirft es weg oder zertritt es! Darum ist Schönheit kein niedriges, anstößiges oder frivoles Gut, wie man allzuoft meint, und wenn ich mich gehalten fühle, die Erscheinung zu pflegen, mit der die Natur mich beschenkt hat, so in aller Demut. Mein Stolz ist es, zu sein, wozu mein Wille mich gemacht hat.
    Als ich geboren wurde – an einem Septembertag nach Eurem Kalender –, arbeitete unser ganzes Dorf, festlich gekleidet, bei der Aussaat auf den Äckern des Inka { * } . Mein Vater grub mit seiner Takila die Mulden, in die meine Mutter die kostbaren Maiskörner warf. Als sie die ersten Wehen verspürte, winkte sie meiner Schwester, an ihrer Stelle weiterzumachen, und stieg zu den Viehweiden hinauf.
    Wenn ich nach dem Schmerzensschauspiel urteile, das eine Spanierin in solchem Fall bietet, war der Schöpfer uns gnädig: wir gebären mühelos. Meine Mutter trennte die Nabelschnur mit ihren Fingernägeln durch, ging zum Bach, watete hinein, um sich zu reinigen und zu waschen, und säuberte auch mich. Das Wasser von den Gipfeln der Anden ist eisig, aber der Brauch will es so, damit das Neugeborene als erstes im Leben erfährt, daß es hienieden nichts umsonst gibt. Das gilt für die Söhne des Inka genauso wie für die Kinder der gemeinen Leute.
    Da
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