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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin
Autoren: Davenat Colette
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diejenigen auswähle, deren Gestalt, wenn sie einmal erblüht wäre, dem Inka gefallen könnte.
    Durch unser enges Zusammenleben wußte ich über die Beziehungen von Mann und Frau Bescheid, zumal die Beobachtung der Lamas und Meerschweinchen ein übriges tat. Nie aber hätte ich mir einfallen lassen, den Inka, unseren Herrn und Gott, mit einem so natürlichen, animalischen Akt zu verbinden. Accla zu werden, das heißt eine ›erwählte Frau‹, blieb für mich im Bereich des Nebelhaften und Wunderbaren.
    Meine Schwester hatte sich inzwischen richtig verheiratet. Ihr Mann, Huaman Supay, ein tüchtiger Arbeiter, aber sehr schüchtern, hatte das gesetzlich festgelegte Alter erreicht. Er brauchte eine Frau, um Familienoberhaupt zu werden und als solches seine Verpflichtungen gegenüber dem Inka zu erfüllen. Bei uns spielt das Herz bei Eheschließungen kaum eine Rolle. Nichts ließ deshalb vermuten, daß sich hier eine Liebestragödie anbahnte.
    An dem Tag, bevor wir nach Amancay aufbrechen wollten, wurde ich einem feierlichen Bad unterzogen. Meine Mutter wusch mich im Bach mit einem Stück Seife, das sie für große Anlässe aufbewahrte. Dann untersuchte sie jeden Fingerbreit meiner Haut. Der kleinste Leberfleck hätte den Verzicht bedeutet. Sie entließ mich aufseufzend.
    »Rein wie ein Ei«, sagte sie.
    Wir gingen heim. Überm Feuer siedete ein Kräutergebräu. Meine Mutter stellte mich mit dem Rücken zum Herd, tauchte meine Haare in den Kessel, wobei sie achtgab, daß der Sud, der weiter kochte, mir nicht die Kopfhaut verbrannte, und gebot mir, über eine Stunde so zu verharren. Keine Laus entrann der Prozedur!
    Stolz, mit meinen wie Seide glänzenden Haaren und heißem Kopf sauste ich zu Curi Coylor, meiner Schwester, die nebenan wohnte. Ihre neu erbaute Hütte hatte noch nicht den guten, schweren Dunggeruch wie die unsere. Ich traf meine Schwester nicht an, dafür war das Feuer erloschen, ein Krug lag in Scherben, und auf den schönen Festkleidern, die der Curaca den jungen Gatten brauchgemäß am Hochzeitstag übereignet hatte, tummelten sich drei Meerschweinchen.
    Ich vertrieb die Tiere, schüttelte die Kleider aus und verwahrte sie in einer Erdnische, wo sie hingehörten. Einer der obersten Grundsätze, die uns eingeschärft wurden, lautete Sparsamkeit. Von jeher sah ich meine Mutter unsere Kleider pflegen und ausbessern, bis sie wirklich nicht mehr dazu taugten, uns geziemend zu umhüllen und vor Wetterunbilden zu schützen.
    Die Nachlässigkeit meiner Schwester bestürzte mich. Curi Coylor hatte sich völlig verändert, seit ihr Mann zum Heeresdienst eingezogen worden war. Dem Ruf des Inka zu folgen und seine Militärzeit abzuleisten war doch aber der Stolz eines jeden Familienoberhauptes! Mein Vater sagte es Curi Coylor immer wieder, aber seine Ohrfeigen vermehrten nur ihre Tränen. Obwohl mir ihre Unvernunft leid tat, bewunderte ich den Kummer meiner Schwester. Er verschönte sie in meinen Augen wie ein herrlicher Schmuck: in unserer Ayllu hatte noch nie jemand aus Liebe geweint.
    Ich lief hinaus.
    Eigentlich hätte ich meiner Mutter helfen müssen. Sie war dabei, Heilkräuter zu bündeln, die sie auf dem Markt von Amancay gegen einen kleinen Bronzespiegel eintauschen wollte. Dieser Spiegel, das Sinnbild einer Koketterie, die eine Frau mit der Eheschließung abwerfen mußte, war dennoch ihr unbändiger Wunsch. Eine der Frauen unseres Curaca besaß einen …
    Eine der Frauen, sage ich, denn auf Grund seiner Stellung durfte unser Curaca zwei haben. Die Anzahl der Frauen und Lamas, die beträchtlich sein konnte, kennzeichnete den Rang eines Mannes im Staat. Der Brauch schockiert Euch, Pater Juan? Er schockiert alle Spanier, was wiederum mich schockiert. Denn haben nicht auch sie Konkubinen? Der Unterschied ist nur, daß es für unsere Würdenträger ein Ehrenrecht war, mehrere Frauen zu besitzen, und daß es bei Euren Landsleuten eine Sünde ist. Und sie sündigen reichlich, zumal in unserem Land, wie man hört! Eine Religion, so heilig sie immer sei, kann den Trieb nicht unterbinden. Warum also verdammt man den fleischlichen Akt? Mir scheint, daß ihm das nur die Würze des Fegefeuers verleiht! Ich habe meine Denkweise dem Bischof von Cuzco übrigens nicht verhehlt. Wir sind gute Freunde, und er ist so nachsichtig, mich anzuhören und meine Worte zu entschuldigen.
    Doch um auf jenen fatalen Nachmittag zurückzukommen: ich beschloß, nach den Lamaweiden hinaufzusteigen und die Ausbeute meiner Mutter um ein
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