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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman
Autoren: Reber Sabine
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gewesen wäre. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er sich daran erinnerte, er hatte an jenem Abend Unmengen von Rotwein getrunken.
    Mich schaudert beim Gedanken daran. Aber jetzt fürchte ich mich nicht mehr. Er wird mir nichts tun.
    Die letzten Wochen habe ich mit deinen Texten verbracht. Ich habe versucht, deine Tagebücher in eine literarische Form zu bringen, ich habe sie zwischen deine Erzählung über die Piratin eingefügt. Ich habe deine Geschichte erzählt, wie du die Geschichte von Granuaile erzählt hast. Hier ist dein Buch. Hier ist das Buch, das du immer hast schreiben wollen. Ich habe es für dich zu Ende gebracht. Ich weiß, wie sehr du dir gewünscht hast, einmal einen Roman zu veröffentlichen. Aber deine Geschichte geht niemanden etwas an, Daniel am wenigsten. Ich habe mir geschworen, ihm keine einzige Zeile davon zu zeigen. Auch Sarah braucht nichts zu wissen von alledem. Es würde sie nur belasten, schließlich bist du nicht zuletzt wegen ihr aufgebrochen. Ich werde alles ins Meer werfen, deine Asche und das Bündel Manuskripte. Es geht niemanden etwas an, wie du zu Tode gekommen bist. Ich werde Daniel keine Fragen stellen. Unsere Geheimnisse werden in den Fluten bestens aufgehoben sein, fortan werde ich schweigen wie ein Grab, und das Meer wird mit mir schweigen. Daniel und ich werden gemeinsam den Turm besteigen, in dem Granuaile gelebt hatte. Wir werden deine Asche aus dem Fenster in den Wind streuen, ins Meer. Und dein Buch wird dir folgen.
    Ob die Brandung das Blut weggewaschen hat?
    Bestimmt.
    Das Meer war auch im Innern der Burg allgegenwärtig gewesen. In den alten Mauern hatte es nach Algen und Fäkalien gerochen. Bierdosen lagen auf dem Boden, aus einer dunklen Ecke blökte ein Schaf, als ich damals hinter dir in den dunklen Turm getreten war. Unsere Augen gewöhnten sich nur langsam an das Dämmerlicht. An der Wand gegenüber des gusseisernen Eingangstors erkannte ich einen offenen Kamin. Jemand musste kürzlich ein Feuer entfacht haben. Unter angekohltem Holz, Chipspackungen, geschwärzten Bierdosen und sonstigem Müll lag die ausgebrannte Aluminiumschale eines Wegwerfgrills. Linker Hand führte eine Steintreppe an der Mauer entlang in die Höhe, aber die untersten zwei Meter fehlten. Die steinernen Stufen mussten vor langer Zeit weggebröckelt sein, denn die Bruchstellen waren von dicken Moospolstern überzogen. Eine wacklige Holzleiter überbrückte die Leere. Geschickt bist du hinaufgeklettert und hast mir geholfen, die ersten Treppenstufen zu erreichen. Die Wände waren mit Algen bewachsen, und auch die noch erhaltenen Stufen waren feucht und glitschig. Wir stiegen ins zweite Stockwerk hinauf und streckten unsere Köpfe durch die Schießscharten, sahen bis nach Louisburgh hinüber. Zu unserer Linken ragte der weiße Gipfel des Croagh Patrick aus den Wolken. Im dritten Stockwerk mussten sich die Schlafräume von Granuaile befunden haben, mit winzigen Fenstern, aber von einem Wachgang umgeben. Wir hatten Mörtelbrocken und Moospolster betastet und hatten uns das Leben der Piratenkönigin ausgemalt.
    Vor der Luke wird es dunkel, wir fliegen durch eine Wolke, Regen schlägt gegen die milchige Scheibe, wir durchlaufen den Schleudergang. Du hast keine zweite Chance gehabt. Nein, über diese Liebe kamst du nicht hinweg. In den drei Monaten, die du bei uns gelebt hast, hast du es kein einziges Mal fertiggebracht, das Wort » Exmann « auszusprechen, du konntest ihn nicht einmal bei seinem Namen nennen, ohne in Tränen auszubrechen. Ihr teiltet nicht nur die Zeit, die ihr zusammengelebt hattet, ihr teiltet, jeder für sich, auch den Schmerz danach. Ein immenser Kuchen, den du dir Stück für Stück einverleibtest und der doch nicht kleiner zu werden schien. Du hast andere Männer kennengelernt, mehr als einmal hast du geglaubt, die Vergangenheit könne dir nichts mehr anhaben. Du bist dick geworden, und du bist wieder halbwegs dünn geworden. Du hast dich betrunken, und du hast wieder aufgehört zu trinken, weil kein Whiskey der Welt die Traurigkeit lange genug vertrieb. Du hast dir hundert Paar High Heels gekauft und sie bald darauf an mich verschenkt. Wir hatten zum Glück dieselbe Schuhgröße, du bezahltest praktisch deine Miete in Schuhen. Du hast dir teure Kleider geleistet und dann doch immer nur den schwarzen Rock mit den weißen Punkten getragen, den Daniel dir in eurem ersten Sommer geschenkt hatte. Du hast dir eine neue Identität zugelegt, hast dir eine neue Telefonnummer, eine
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