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Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman
Autoren: Reber Sabine
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doch selber so gerne Kinder gehabt hättest. Du sprachst kaum je darüber, aber ich wusste, wie sehr du darunter gelitten hast.
    Wir haben einen Hund, hast du geantwortet, als ich dich einmal darauf angesprochen habe, Daniel liebt Pharao über alles.
    Ich hatte mich gewundert, dass der Hund bei euch im Bett schlief, zwischen euch, wie du mir erzählt hast. Oft hätten sich eure Hände auf dem Rücken des Hundes berührt. Für ein Kind hätte diese Liebe nicht getaugt. Du hast sogar angefügt, vielleicht sei es gut, dass du das Baby verloren habest.
    Es hat einfach nicht bei uns bleiben wollen, hast du gesagt.
    Du hast geradezu gebettelt, Sarah hüten zu dürfen, ständig hast du uns gefragt, ob wir nicht ins Kino gehen oder Freunde besuchen wollten.
    Ich möchte sie ein bisschen für mich haben, hast du gesagt.
    Sarah mochte dich auch, sie hat dich angelacht und mit ihren Händchen nach deinen Haaren gegrapscht, als wollte sie sich einnisten in deiner Fönfrisur.
    Nun bin ich wenigstens Tante, hast du gesagt, als ich dir Sarah in die Arme gelegt habe. Ich habe dich nie mehr so glücklich gesehen wie an jenem Nachmittag, als du meine Tochter zum ersten Mal im Arm hieltest.
    Sie habe deine Nase, hattest du damals gesagt, und ich habe dir Recht gegeben.
    Alle Babys haben dieselben Stupsnasen, hatte Markus eingewandt, Babys haben Stupsnasen, damit sie nicht ersticken an der Brust ihrer Mutter.
    Ich muss diesen Flug durchstehen, das bin ich dir schuldig. Daniel hatte sich nach deinem Tod geweigert, die Insel zu verlassen. Er hatte sein Haus nicht mehr verlassen. Er hatte niemanden sehen wollen. Er hatte auf seinem Brot herumgekaut, als er mir das mitgeteilt hatte. Wir waren übereingekommen, die Trauerfeier in der Schweiz abzuhalten, da du in Irland kaum Freunde hattest.
    Und nun sitze ich also in dieser Blechkiste mit Flügeln, die so schwach wirken, als wären sie aus Karton, und bin mit den Nerven am Ende. Mein Rücken ist steif vor Angst. Ich schwitze, ich ringe nach Luft. Ich fingere an meinem I-Pod herum, zappe durch meine Wiedergabelisten. Solche Angst habe ich nie mehr gehabt, seit Sarah zur Welt gekommen ist. Während ihrer Geburt hatte der Arzt Harvest von Neil Young gehört, als sie zur Welt kam, lief das Lied Heart of Gold. Für ein Herz aus Gold überquere er den Ozean, hatte Neil Young gesungen, ich will leben, ich will geben, eine feine Linie liegt dazwischen, aber so sehr ich mich anstrenge, ich kann dir nicht mehr sagen, welche Zeile er genau sang, als Sarah den ersten Atemzug machte. Ich weiß nur, dass der Arzt Heart of Gold hörte, als er sie aus meinem Bauch holte. Ich strenge mich an, ich höre in mein Unterbewusstes hinein, ich krame in meinen tiefsten Erinnerungen, aber alles, was ich höre, ist mein rasender Herzschlag, das Quietschen des Skalpells, die näselnd hohe Stimme von Neil Young, von der ich mir bis heute nicht sicher bin, ob ich sie mag oder nicht, und, erstaunlich klar, das unverkennbare Schnarren seiner Gibson. Ich versuchte, im Rhythmus der Musik zu Atem zu kommen.
    Sarah stieß ihren ersten Schrei aus, ich erschrak, wie laut sie schrie, und schnappte selber nach Luft.
    Die ist aber fit!, rief der Arzt, und alle lachten.
    Erst in dem Moment realisierte ich, wie viele Leute im Operationssaal anwesend waren, ein Dutzend Stimmen antwortete mit Gelächter auf Sarahs ersten Schrei. Markus hielt sie in den Händen, Tränen flossen ihm übers Gesicht. Sie schrie, und er heulte, man hätte meinen können, die Welt gehe unter. Nur ich blieb merkwürdig ruhig, ich betrachtete ihr feuchtes Gesicht, ich reichte ihr die Hand, fasste nach ihren knittrigen roten Fingerchen. Als der Arzt meinen Bauch zunähte, lief Old Man, was mich etwas befremdete, ich machte sogar eine Bemerkung deswegen, ich sagte dem Arzt, das wäre aber ein merkwürdiges Lied, um eine neue Erdenbürgerin zu begrüßen.
    Nein, wieso, sagte er und nähte weiter, wir suchen doch alle nach Liebe.
    Ich machte noch eine Bemerkung über die ausgefeilten Gitarrenriffs und dieses auch beim hundertsten Mal hören irritierende, kaum wahrnehmbare Stolpern im Takt, diese kleine Imperfektion, die Neil Young zum Genie machte, worauf der Arzt nur » hm, hm « sagte. Es dauerte ziemlich lange, bis er fertig war, und ich konzentrierte mich auf den Text des Liedes, er hatte Recht mit seiner Bemerkung. Als ich endlich auf mein Zimmer gebracht wurde, hatte ich immer noch die Songzeilen im Kopf: Old man look at my life, I am a lot like you were,
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