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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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auf
Bildschirme von Laptops, deren ausgeklügelte Programme ganz von selbst
arbeiteten und auf einer Matrix langsam die ausladenden Umrisse ihres Körpers
nachstrichelten? Frau Weinwurm hob den Kopf, um etwas gesitteter ein
Schlückchen aus der Heineken-Dose zu nehmen. Vorsichtig, damit ihre Mutter sie
nicht hörte, stieß sie auf.
    Oft wurden die
Verbrecher heutzutage über ihr Handy gefunden, was Frau Weinwurm unerhört und
merkwürdig fand, eines anständigen Outlaw nicht würdig. Man stelle sich
vor, Pat Garrett hätte Billy the Kid dadurch zur Strecke gebracht, dass Billy
sich in Fort Sumner in ein Pläuschchen vertieft und dadurch seinen Aufenthalt
verraten hätte! Ein solches Ende! Ihr jedenfalls konnte dies ebenso wenig wie
Billy passieren, denn sie hatte sich nie dazu durchringen können, eines dieser
albernen kleinen Dinger zu kaufen, nur damit sie dann wie eine Sklavin ständig
danach greifen und hineinplappern müsste. Wie ferngesteuert ohne Sinn und
Verstand, ob sie nun beim Metzger oder in der Straßenbahn stünde, oh nein, so
etwas kam ihr nicht ins Haus!
    Wie ging es damals
weiter? Was würde der Marshall entdecken? Sie hatte den Wasserhahn mit ihrem
Ellbogen angehoben und sich sorgfältig die Hände mit einer köstlich riechenden
Honig-Vanille-Seife aus einem silbernen Spender (ebenfalls Ellbogeneinsatz!)
gewaschen. Wie lange das warme Wasser hier aus dem kalkfreien Hahn sprudelte,
ein langer, gleichmäßig schöner heißer Strahl, nicht wie zu Hause mit dem
dummen Durchlauferhitzer, den der Vermieter nicht ersetzen wollte! Im großen,
indirekt beleuchteten Spiegel betrachtete Frau Weinwurm ihr Gesicht. Sie sah
wohl und normal aus, weniger blass als sonst, obwohl ihre Sommersprossen
ausgeprägter und zahlreicher schienen, was Frau Weinwurm etwas verstimmte, denn
sie hielt sich eisern von der Sonne fern um ihre Sommersprossen in Schach zu
halten, die sie würdelos fand. Kleine böse Kobolde, die sich aus ihrem runden
Kindergesichtchen in ihr Erwachsenengesicht gerettet hatten, eine ständige
Erinnerung an dieses böse Mädchen, diese kleine bleiche Hexe, die man gewiss
verbrannt hätte im Mittelalter und darüber hinaus!
    Die Flecken auf ihren
Wangen signalisierten, dass sie etwas außer Atem war, aber ihre grauen
Kieselaugen sahen sie ruhig und ausdruckslos wie immer an, als wäre es ein
beliebiger Montagmorgen und sie würde sich gleich ihre ausgebeulte Handtasche
schnappen um die Siebendreißig-Straßenbahn Richtung Gregorius-Wetzel-Platz
(bedeutender Geograph und Begründer der Wetzelschen Gletschertheorie, an die
sich momentan nicht mehr entsinnen konnte, so sehr sie auch die Stirn in Falten
legte) zu erreichen. Eine Sommersprosse löste sich plötzlich, streckte sich wie
eine Raupe der Länge nach aus und robbte in gleichmäßigem Zickzack ihren
Nasenrücken hinab. An der Spitze rollte sie sich zu einem kleinen Ball
zusammen und hüpfte hinab in das Waschbecken. Frau Weinwurm schielte auf den
dunklen Fleck auf der blendend weißen Keramik. Sie neigte den Kopf,
schnüffelte. Vorsichtig berührte sie die Sommersprosse mit der Zungenspitze und
hob dann ihr Gesicht näher an den Spiegel. Sie riss ein Kleenex aus einer
Silberbox – Sapperlot, selbst die Papiertuch-Pappboxen, die jeder normale Mensch
einfach in sein Badregal stellte und sich an den bunten und vielfältigen Aufdrucken
erfreute, mussten hier natürlich in edlem, silbernem, blank poliertem Gewand
stecken! Was für eine Angeberin, was für eine Spänerin! Frau Weinwurm
gluckste, als ihr dieses Wort einfiel, so lange Jahre verborgen in ihr, nie
wieder gehört, seit sie nicht mehr in Süddeutschland lebte. Spänerin! Ganz
schlimme Geschichte, wenn einem dies über den Schulhof zugerufen wurde!
    Das Kleenex rubbelte
energisch über ihr Gesicht und befriedigt sah Frau Weinwurm zu, wie sich die
Sommersprossen auflösten. Sie schüttelte das Tuch aus und hielt es vor die
Halogenleuchten, die hinter satiniertem Glas dezent um den Spiegel eingelassen
waren. Braun rote Schlieren, halleluja, sie hatte also doch etwas von dem Blut
abbekommen, trotz der kuscheligen Sofadecke, die sie wie eine Burka um ihren
Kopf und ihren Körper geschlungen hatte!
    Frau Weinwurm nahm
den letzten Schluck Bier, zerknüllte die Dose in ihrer Faust – so ein schönes,
knallendes, knisterndes Geräusch, so selten zelebriert! – und warf sie in
Richtung des Plastikeimers, der als Papierkorb neben einem wackeligen
Holztisch stand.
    »Strike!«, grunzte
sie, als die Dose
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