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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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an ihrem Handtuch ab und spürte mit einem Mal den Wunsch wie
einen heißen, wohligen Stich in der Magengrube, etwas Neues, Abenteuerliches
nach ihrem Urlaub auszuprobieren. Wenn sie zu ihrem Golf-Cabrio hüpfte, sahen
die wabbelnden Schenkel von Frau Kraus-Hilfskötter zwar etwas bedauernswert aus
in ihren engen, schillernden Aerobic-Leggings, aber Tereses Waden würden sich
bestimmt entzückend ausnehmen in teuren, geringelten Stulpen von Sport Thiele
(nicht Sport Eulenburg, da ging jeder hin, da gab es nur Massenware) und welch
gute Figur sie neben Frau Kraus-Hilfskötter, die immerhin zehn Jahre jünger
war, machen würde in einem monofarbenen, gesmokten Stretchoberteil mit
passendem geflochtenem Stirnband! Ihr Blick hinter den getönten Brillengläsern
schweifte zu Ivonne, die bewegungslos auf ihrem großen Frottee-Handtuch unter
dem Sonnenschirm saß, den Kopf eingezogen wie eine Schildkröte dicht über den
Seiten eines ihrer abscheulichen Westerncomics, die ihr Terese zwar immer
wieder entriss und wegwarf, die aber wie durch ein Wunder früher oder später
erneut auftauchten, die Seiten zerknittert vom eisernen Griff, mit dem die eine
gezerrt und die andere festgehalten hatte.
    Der Comic lag auf
Ivonnes angezogenen Knien, ihr Finger glitt über die Wörter in den Sprechblasen
und den bunten Kästchen, und sie murmelte leise vor sich hin: »Pääääng whäm
splitter piuiuiuiuiu!! Joe, mach schnell, da hinten die Rauchzeichen! Boss, es
ist zu spät, die Rothäute werden Little Mary kriegen! WAGENBURG, bringt die
Wagen in Stellung, Leute, bewegt euch!«
    Terese betrachtete
das Profil ihrer Tochter, den leicht geöffneten Mund, aus dem merkwürdige Laute
drangen. Ein Speichelfaden zog sich von ihrem Mundwinkel bis zum Kinn hinab,
doch Ivonne schien es nicht zu bemerken, oder, was noch schlimmer war, seufzte
Terese, nicht zu interessieren. Das kurze Haar stand ihr strubbelig und stumpf
vom Kopf ab und Terese spürte den Impuls, den Sonnenschirm aus dem Sand zu
reißen und wie einen Speer außer Reichweite zu werfen, das Kind am Arm zu
packen und ins Meer zu schleifen, damit es wie die anderen Kinder und Teenager
an diesem traumhaft schönen, brütend heißen Sommertag durch die erfrischenden
Wellen sprang, Salz auf der Haut und warme Lichtreflexe auf glänzendem, nassem
Haar und geröteten Wangen.
    Wie sie da saß, zu
einer wabbeligen, weißen Kugel zusammengerollt! Terese musste sich
zusammennehmen, um sie nicht an den runden sommersprossigen Schultern zu packen
und zu schütteln, bis sich diese erstarrte Rouladenhaltung löste und Leben in
das scheintote Mädchen strömen konnte, die mit nichts beschäftigt war, als ab
und an gedankenverloren eine Hand auszustrecken und Sand über ihr Füße zu
streuen, langsam und gleichmäßig jede hochgereckte Zehe bedeckend, Salz auf
kleine Vogeleier, während sie gleichzeitig atemlos verfolgte, wie der noch
unerfahrene und viel zu mitleidige Häuptlingssohn Yellow Frog das Messer hob
und … würde er Mitleid mit der greinenden Little Mary haben oder ihr die
rotztriefende Nase abschneiden?
    Wie ein fabelhaftes,
knochenloses Meerestier, dachte Terese, fern des Tageslichts in den Tiefen des
Pazifik geboren und mit weichem Schleimgetier gefüttert und groß gezogen, so
dass es selbst ganz weich und bleich wurde, mit durchscheinenden, lila Schatten
unter den blassen Augen und blauen Äderchen, die überall unter der weißen Haut
pulsierten.
    Woher kam dieses
Kind, das schon als Baby die Augen fest zudrückte und den Atem in der kleinen
Brust anhielt, wenn es die Stimme seiner Mutter hörte, als könnte es so einen
Augenblick verhindern, der doch unausweichlich kam? Und dann wuchs es und wurde
größer, saugte gierig an jedem Schnuller und konnte früher als alle anderen
Kinder einen Löffel halten, mit dem es sich den Brei in den Mund stopfte ohne
auch nur einmal aufzublicken und so schnell und monoton gleichmäßig, dass sie
kaum Zeit zu schlucken fand. Mit neun Jahren war das Mädchen bereits größer als
seine Mutter und bald würde sie an Herrn Weinwurm heranreichen, der zwar kein
besonders großer Mann war, auch wenn er behauptete weit, weit über die
Einsachtzig zu sein, aber Terese machte sich dennoch Sorgen, ob ihre
Tochter zu einer, wie hießen die noch?, Gigantin? Titanin? Hünin?heranwachsen
würde. In einem schwachen Moment hatte sich Frau Weinwurm mit ihren Sorgen an
Frau Kraus-Hilfskötter gewandt, was sie nie, nie wieder tun würde, denn Herr
Weinwurm hatte klar
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