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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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kerzengerade
durchzudrücken, wie sie es in der freiwilligen Sportgruppe »Gesunder
Office-Rücken« in ihrer Firma gelernt hatte. Diese Haltung war nicht nur
gesund, sondern diente auch der Allkörper-Entspanung, hatte Frau Weinwurm in
dem Begleitheft zum Kurs nachgelesen und sich gemerkt. Sie spürte den warmen,
rieselnden Boden an ihren nackten Beinen und grunzte einen kurzen Moment wohlig
in die stille Nacht. Ihr Glockenrock war beim Sturz in die dornige Wüstenpflanze
nach oben gerutscht und lag in einem dicken Knäuel um ihren Bauch. Nachdem sie
sich zaghaft umgesehen hatte und keine weitere menschliche Gestalt in der
Dunkelheit ausmachen konnte, gestattete sich Frau Weinwurm noch einige Sekunden
die Freiheit, ihre Beine entblößt zu lassen, denn der Sand kitzelte doch zu
angenehm, um diesem Gefühl sofort wieder zu entsagen. Sie legte beide Hände wie
ein Zeltdach über ihre Lippen und hüstelte sich die feinen Staubkörnchen aus
Mund und Hals, dann spreizte sie die Finger zu einem Lautsprecher, räusperte
sich, holte tief Luft und schmetterte in die Nacht, so laut sie nur konnte:
    » I
got spurs that jingle loud
and clearly
    as
I go ridin' … äh…
    on
my horse but
    ooops
I don't have one
    No
horse for me! «
    Vergnügt lachte Frau
Weinwurm auf und vergrub das Kinn in ihrer Halsgrube. Der weiche Halbmond ihres
Doppelkinns schmiegte sich an die Rüschen ihrer hochgeschlossenen
Baumwollbluse, ihr Nacken wurde von einem lauen Wind gekitzelt. Eiwei, kein
Wunder, dass sie aus dem Kirchenchor geflogen war, keinen Ton konnte sie
halten, aber das war ihr hier, wie jedem anderen lonesome Cowboy,
gleichgültig. Bei diesem Gedanken – sie war, endlich, einsam! ein Cowboy!
–schmunzelte Frau Weinwum erneut auf ihren Rockwulst hinab und wiegte sich in
der frischen, warmen Brise.
    Dennoch, wohlan!
Langsam wurde es Zeit, der Wüste gute Nacht zu sagen!
    Wie mächtige bleiche
Teigwürste, die darauf warteten in den Ofen geschoben zu werden, lagen ihre
Schenkel nebeneinander im Sand, und mit einem Seufzen betrachtete Frau Weinwurm
die bläulich schlängelnden, pochenden Krampfadern, die aus den wunderbaren
Cowboystiefeln hervorlugten. Diese Beine mussten sie noch ein Weilchen tragen!
Ach, wäre es nicht recht angenehm, sich jetzt auf einem breiten Kingsize -Bett
auszustrecken, einen großen eisklirrenden Whiskey auf dem Nachttisch? Ein
Luftzug umwehte sie erneut und angespannt schnüffelnd nahm sie zum ersten Mal
den scharfen Schweißgeruch wahr, der von ihr ausging. Nein, oh nein, so ging
das nicht, hier einfach herumzusitzen und Maulaffen feilzuhalten, während das
Motelschild noch in weiter Ferne blinkte.
    »Back
in the saddle again!«, spornte sie sich an und hievte sich schwerfällig hoch.
Säuberlich klopfte sie ihren Rock aus, als ein plötzlich huschender Schatten,
der über ihre Stiefelspitze flitzte, sie erstarren ließ. Eine Schlange? Eine
Maus? Ein Skorpion? Irgendein sonstiges Arizona-Kriechtier, das ER mit einem
gezielten Messerwurf wortlos enthauptet hätte, während Frau Weinwurm sich entschloss,
einen gurgelnden Schrei auszustoßen und dann hurtig zu ihrem Koffer
zurückzuhüpfen?
    Eine Welle der
Erschöpfung zitterte durch ihren Körper, als Frau Weinwurm mit ihrem
Smiley-Koffer im Schlepptau in die breite Einfahrt des Blue Lagoon Motels einbog,
und sie spürte, wie ihre runden, sonst so standfesten Knie ganz wabbelig und
weich wurden. Sie rollte an einer kleinen Tankstelle mit zwei Zapfsäulen
vorbei, spähte in einen winzigen, von einer flimmernden Neonröhre erleuchteten
Shop, doch niemand saß hinter der Kasse oder trat hinter einem der eng stehenden,
mit Chips- und Gummitiertüten beladenen Regalen hervor. Sie klopfte vorsichtig
gegen das Schild, das an der Glastür hing, wummerte dann etwas heftiger, als
sich immer noch nichts tat.
    »Scheibenkleister
aber auch!«, schimpfte sie fast unhörbar und schwang dann erschrocken herum,
als eine brutale Hand an ihrem Rock zerrte, ein nameloser Bandido , oder
aber ein Outlaw wie Jesse James, Billy the Kid, doch es war nur wieder
ihr Koffer. Er schien ein seltsames Eigenleben zu führen, was ihr langsam aber
sicher misshagte. Er hatte die Falten ihres Baumwollrocks um seinen
ausziehbaren Griff geschlungen, nur um sie zu ärgern, Sapperlot aber auch, das
musste sie sich nicht gefallen lassen! Die gelben Smileys strahlten sie unschuldig
an und Frau Weinwurm belohnte die runden Gesichter mit einem weiteren
Hackentritt. Die Sporen schrammten über den
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