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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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diese unschuldige Geste so lässig wirkte, dass sie die
Schummelei, die eigentlich im Gange war, übertünchte.
    »Are you Indian?
Vielleicht? Apache wie in Fort Apache?«, fragte sie freundlich ablenkend, denn
die Neugier brannte nun doch lodernd in ihr, ob sie gleich nach zwei Tagen im
gelobten Land einen waschechten Indianer vor sich hatte. Native American ,
sagte man heute politisch korrekt, das stand in dem von ihr abonnierten
National Geographic (oh Hilfe, die Abos, die einfach weiterliefen, sie hätte
sie kündigen sollen, aber wie in all dem Chaos und der kurzen Zeit, die ihr vor
ihrem Aufbruch blieb?), aber nicht Frau Weinwurm, die das Wort Indianer so
liebte, wie es so angenehm geschmeidig über die Zunge rollte und sogleich eine
aufregende Bilderflut durch ihren Kopf jagte, als hätte man eine freundliche
Droge zu sich genommen. Und wäre das nicht ein glücklicher Zufall, ein Omen wie
das Auftauchen des Duke am Ende ihrer Reise, ein weiteres Zeichen, dass
letzten Endes vielleicht doch noch alles gut würde?
    »How long are you
planning to stay?«, ignorierte der junge Mann die Frage, von der er nur die
Hälfte verstanden hatte, und schob Frau Weinwurm einen Schlüssel hin, an dem
eine kleine bunte Stoffechse hing. Sie strich vorsichtig mit dem Finger über
den gehäkelten Echsenrücken und wandte den Blick zu IHM, der soeben mit Dean
Martin durch die dunkle, feindselige Stadt patroullierte, das Gewehr lässig im
Arm, aber: Obacht! Jederzeit konnte es im Bruchteil einer Sekunde herumgerissen
werden und eine tödliche Ladung abfeuern, eine geschmeidige Bewegung, bei der
Frau Weinwurm jedes Mal entzückt aufstöhnte und sich auf ihrem tannenfarbenen
Cordsamtsofa zu Hause in Bütte-Erkenroytz weit vorlehnte, alle zehn Finger in
ihre breiten, hubbeligen Knie gekrallt. Doch nun konnte sie die Szene nicht
genießen, weil das störrische Ignorieren ihrer Frage an ihren Nerven zerrte,
und sie wusste, dass an Schlaf heute nicht zu denken war, wenn sie nicht
erfuhr, ob sie wirklich und wahrhaftig ihren ersten Indianer gesichtet hatte.
War das von dem Schlacks denn, und eine steile Falte wie von einem Kindertomahawk
gezogen, bildete sich über ihrem Nasenrücken, Absicht, weil sie ihn bei seiner
Faulenzerei gestört hatte? Solche Pappenheimer kannte sie in ihrer Abteilung
bei »Dr. Mahlers Babynahrung« in Bütte-Erkenroytz zu Genüge, er sollte mal
ruhig nachhören, ob sie nicht dafür bekannt war, dass sie plötzlich Bürotüren
aufriss und die gammelnden Kollegen in ihrem Nichtstun oder beim Klatschen
mächtig erschreckte! Was die jetzt wohl tuschelten, wurde Frau Weinwurm von den
eigenen Gedanken abgelenkt, und die Falte zwischen ihren Augenbrauen vertiefte
sich, da sie das erste Mal in zwanzig Jahren nicht zur Arbeit erschienen war,
und dann auch noch unentschuldigt!
    »Egal, diese dummen
Tratschtanten!« Frau Weinwurm donnerte eine Faust auf den Tresen und schüttelte
heftig den Kopf.
    Unmerklich trat der
junge Mann einen Schritt zurück und schielte nach dem Wandtelefon, doch da drehte
sich Frau Weinwurm mit schwingenden Röcken ruckartig um und schritt klirrend
zur Tür. Wie Säbelrasseln, staunte der junge Mann, oder gespenstisches
Kettengeklimper in einem fernen schottischen Schloss in den Highlands. Einen
Moment überlegte er, ob er zu viel Heineken getrunken hatte, dann fiel sein
Blick auf die beeindruckenden, bunten Cowboystiefel der Frau, an deren Hacken
sich silberne, gefährlich spitze Sporen wie winzige Windmühlenräder drehten. Dios
me libre!
    »The Blue Lagoon team
wishes you a nice and comfortable stay!«, hörte er seine Stimme, während er
hypnotisiert die Büffelherde betrachtete, die sich um die kräfigen Waden von
Frau Weinwurm jagten. Dann sah er auf das ausgefüllte Formular auf dem Tresen
und eines der leeren Kästchen brachte ihn zur Besinnung und den von
Schokodoughnuts eingefetteten Zeigefinger seines Chefs, der morgen früh über
die Gästeliste schmieren würde, in Erinnerung.
    »I need
your credit card information, Ma’am!«
    Der junge Mann
betrachtete den breiten, starren Rücken der Frau und fragte sich, ob sie als
nächstes einen Colt aus den Untiefen ihres Rockes ziehen würde.
    »Only when you tell
if you are Indian!«, befahl Frau Weinwurm über die Schulter hinweg und rührte
sich nicht vom Fleck. Jetzt hatte sie in eingekesselt, den Indianer-Schlacks!
    »Sorry?«
    »Indian?«
    Was wollte sie, um Himmels willen?
Indisches Essen? Hier und um diese Uhrzeit? Der junge Mann
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