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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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Kunststoff und zerfetzten zwei
Smileys die runden, fröhlichen Clownsmünder. Zwei maulbeerfarbene, centgroße
Flecken zierten Frau Weinwurms Wangen, eine Andeutung, dass sie nun endgültig
genug hatte und in Rage geriet. Energisch klopfte sie ihren Rock aus und sah,
dass der Saum sich hinten gelöst hatte. Hatte sie ihr Notfall-Reisenähkästchen
bei ihrem überstürzten Aufbruch eingesteckt? Vor Jahren schon hatte sie es bei
Tchibo erstanden, obwohl sie, wie sie der gelangweilten Verkäuferin, die ihre
Glitzersternchennägel betrachtete, erklärte, keine Verwendung dafür hatte, da
sie niemals verreiste, »in zwanzig Jahren nicht ein einziges Mal, können Sie
sich das vorstellen, junge Frau, mit all den billigen Fernreisen, die es heute
so gibt?« Am liebsten hätte Frau Weinwurm auf der Stelle den Koffer aufgeklappt
und in den unordentlich und hektisch hineingeworfenen Kleidungs- und Erinnerungsstücken
gewühlt, doch da bemerkte sie den Schriftzug auf dem Schild, gegen das sie
geklopft hatte.
    Sorry,
folks, we are closed!
    Ein Pfeifen drang
durch die Nacht und wieder rauschte ein gewaltiger Lastzug vorbei, wirbelte
Staub und Sand auf und scheuchte Frau Weinwurm aus ihren Gedanken auf. ER
hätte jetzt gehandelt, hätte die Tür des Tankstellenshops eingetreten, den
Staub der Straße abgeschüttelt und sich zwischen den Regalen auf seiner
Indianerdecke ausgestreckt, beide Fäuste voller Chipstüten, die er mit seinen
großen, kräftigen Zähnen aufreißen würde. Frau Weinwurm trippelte ein paar
Schritte vorwärts und lugte um die Ecke in Richtung des grell schimmernden
Blue Lagoon Motelschildes. Hinter der Tankstelle befand sich ein von blauem
Fernsehlicht erleuchteter Bungalow, direkt unter dem gesenkten Kopf eines
schmutzig rosa Plastikflamingo, der an dem meterhohen Motelschild lehnte und
so erschöpft in dieser fremden Wüstenumgebung wirkte, dass Frau Weinwurm ein
wehmütiges Mitleid mit der geknechteten Kreatur fühlte, mit allen netten und
schmusigen Tieren, die sie so sehr liebte, dass ihr oft die Burst merkwürdig
eng wurde, wenn sie daran dachte, was alles Schreckliches mit ihnen geschah.
Ein Flamingo, ob aus Plastik oder nicht, gehörte nun einmal nicht in die Wüste,
aber dem Menschen war es egal, wohin er die tierischen Erdenbewohner verschleppte,
dachte Frau Weinwurm und drückte die schweißigen Finger gegen ihre glühenden
Wangen.
    Wohlan! Sei es drum!
    Dort,
in jener Trapperhütte, vor der eine einzelne Glühbirne eine hölzerne Veranda
erhellte, so hoffte sie, als sich ihr kleiner Rollkoffertreck wieder in
Bewegung setzte, würde ihre Odyssee nun endlich zu einem glücklichen Ende
finden. Sie zog ihre Grubenlampe vom Kopf, stopfte sie in eine Rocktasche und
trällerte zärtlich über das Rumpeln des Koffers und das Klirren ihrer Sporen
hinweg:
    » There's
a candle burning in a cabin
    in
a window I can see it cleary
    oh
 it's lamp lighting time
    and
here I come
    poor
lonesome Cowgirl Weinwurm
    and
the candle  will guide me
    wherever
I roam«
    Frau Weinwurm stellte
ihren Koffer sorgfältig neben der Fliegengittertür ab, bat ihn zu warten, sich
ja nicht zu bewegen oder zu irgendwelchen dümmlichen Scherzen, die wirklich niemand ulkig fände, hinreißen zu lassen, und trat dann ohne zu klopfen ein, weil
sie zu sehr fürchtete, eine verschlossene Tür vorzufinden, wenn sie sich, wie
eben geschehen, ankündigte.
    Frau Weinwum legte
die Hände auf den Bauch und schnüffelte wie ein erwartungsvolles Kaninchen nach
rechts und links. Der Raum war erfüllt von dem Geruch ranziger Pizzakartons,
Tabakrauch, dem Brummen einer alten Klimaanlage, Pistolenschüssen und
durcheinander gebrüllten Befehle, und Frau Weinwurm blieb einen Moment in der
lärmenden und stinkenden bläulichen Dunkelheit stehen, um sich nach der Stille
auf dem Highway und in der Wüste zu orientieren. Eilig huschten ihre Augen hin
und her, aber sie konnte nichts genauer ausmachen außer einem Fernseher, der
über einem Tresen an der Decke hing. Gestalten in Karohemden und Pferde
huschten über den Bildschirm, und Frau Weinwurms Augen weiteten sich. Zu ihrem
namenlosen Entzücken erkannte sie, dass sie endlich auf vertrautem Terrain
angekommen war.
    »Rio Bravo, 1958,
Regie: Howard Hawks, Hauptdarsteller: John "the Duke" Wayne und der
ebenfalls göttliche Dean Martin!«, brummte sie und verschränkte zufrieden die
Arme vor der Brust, als hätte sie gerade einen bedeutenden Preis in einer
Quizshow gewonnen. Hier war sie richtig! ER war
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