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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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den
Bildschirm. Ein rassiger, schwarzer Hengst tänzelte am Horizont ins Bild, im
Sattel aufrecht, zunächst klein, dann immer größer werdend, sich vor den
abrollenden Schriftzug drängelnd: Eine klobige Gestalt im Damensattel, den
ausladenden Glockenrock sorgsam in gleichmäßig fallende Falten gelegt. Die
silbernen Sporen zuckten über das Fell des nervösen Tieres, gleißten im
Sonnenlicht auf und blendeten Bernardo, der aus dem Liegestuhl aufschnellte und
erschrocken die Augen zusammenkniff. Als er sie vorsichtig wieder aufschlug,
war der Bildschirm schwarz und im nächsten Augenblick wirbelte eine junge Frau
in weißer Abendrobe mit einem Waschmittelbeutel im Arm, den sie strahlend
küsste.
    Qué bruja! Bernardo hob rasch die
Fernbedienung und schaltete das Gerät aus. Das Gästeformular lag noch auf dem
Tresen und Bernardo drehte es langsam zu sich herum.
    »W-E-I-N-W-U-R-M,
holy shit, what a name! I-V-O-N-N-E. Ivonne. How do you pronounce that?« Bernardo stützte das Kinn auf und
zeichnete die runden Buchstaben mit dem Finger nach. »It’s like … mmh … I-Phone , yeah, sure! I-PHONE! Be my guest, Chief Crazy I-Phone!”
    Mit
ausgebreiteten Armen und Beinen lag Frau Weinwurm in gestreiften Boxershorts
und fleischfarbenem Mieder auf dem Bett und starrte an die Decke. Das Mieder
klaffte in der Mitte auseinander und die geöffneten Schließen ragten in die
Luft als hätte jemand in akkurater Reihe Frau Weinwurms Torso wie eine Roulade
gespickt. In der einen Hand hielt sie die Heineken-Dose und in der anderen
umklammerte sie einen Weinkorken, den sie aus ihrem Rock gefischt hatte.
Langsam puhlte sie mit einem Finger kleine Korkfetzen aus der glatten
Oberfläche und schnippte sie auf den pinken Bettvorleger, ein fadenscheiniges
Handtuch, gemustert von gräulichen Umrisslinien weggeschrubbter
Körperflüssigkeiten. Sorgsam hatte Frau Weinwurm ihre Boots daneben gestellt,
sie waren zu kostbar, um mit einem solchem Lappen in Berührung zu kommen.
    Wo war der zweite Korken? Sie hatte doch beide aus der roten, schmierigen Lache gefischt, da
konnte es keinen Zweifel geben.
    Gedankenverloren hob
sie die Heineken-Dose und ließ ein Rinnsal Bier in den geöffneten Mund
plätschern. - Das ist nicht gerade ladylike, mir wird ganz übel, speiübel, wenn
ich dich so sehe, Ivonne! – Mama, ich kann jetzt nicht zuhören, ich muss an
anderes denken! – Ekelerregend, Kind, was meinst du, wie das ausschaut! –
Mamaaa, bitte, hier gibt es nur ein grünes Zahnputzglas mit einer
abgesprungenen Kante, aus Plastik auch noch, denk nicht, ich hätte nicht nach
einem Glas Ausschau gehalten! – Speiübel! – Mit weißlichem Zeug auf dem
Plastikboden! - Geh dich erst mal waschen, lieg nicht auf dieser Überdecke, was
meinst du, wer da schon alles drauf gesessen hat, womöglich mit schmutzigem
Popo? Buäh!! -
    Wo war der zweite
Korken?
    Wo war der zweite
Korken?
    Wo war der zweite
Korken?
    Sie schluckte und das
Bier rann langsam ihre Kehle hinab. Frau Weinwurm steckte den Korken in ihren
Bauchnabel und wartete, dass das Bier von innen die Stelle darunter erreichte
und erwärmte. Sie runzelte die Stirn. Also, wie war das gewesen, nun
erinnere dich mal genau ! Da waren die Scherben, spitze, grüne Glassplitter,
nicht nur in der dunklen Lache, die sich - oh weh, Frau Weinwurm musste Obacht
geben und schnell die Füße wegziehen - um den umgestürzten Barhocker
ausbreitete, sondern überall auf den Marmorfliesen glitzerten und grässlich
knirschten, als Frau Weinwurm über den Hocker und die große chinesische
Bodenvase stieg, die – wie ulkig doch!, wunderte sich Frau Weinwurm -
heil geblieben war, und auf Zehenspitzen ins Badezimmer trippelte. Sie wollte
nach der fleckenlosen Edelstahlarmatur am Waschbecken greifen, hielt jedoch
schmunzelnd inne, als ihr einfiel, dass sie jetzt alles genau überlegen musste.
Säße sie jetzt vor dem Tatort und würde zusehen, wie die dumme Person
überall Fingerabdrücke hinterließe, würde sie gelangweilt aufstöhnen und
weiterzappen.
    Fingerabdrücke? Hatte
sie sich vielleicht ganz umsonst Gedanken um ihre Fingerabdrücke gemacht?
Arbeiteten die Profiler , khakigewandeten Examiners , Experten-
und SWAT-Teams heute überhaupt noch mit puderbestäubten Fingerabdrücken
wie Lord Peter Wimsey oder fanden sie die Täter durch Geisterbeschwörung
übersinnlicher, junger Damen oder mittels kantiger, elektronischer Geräte, von
hurtigen Männerfingern bedient? Oder durch finstere Expertenblicke
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