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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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hier, just in der Minute, in
der sie SEIN Land betrat! Wenn das kein Zeichen des Himmels war, direkt von IHM
gesandt!
    Licht flammte auf, so
schnell und unerwartet, dass Frau Weinwurm mehrmals zwinkern musste, bis sie
einen schlaksigen jungen Mann in weißem T-Shirt, auf dem das Blue Lagoon Logo
mit dem traurigen rosa Flamingo prangte, erkannte. Einen Baseballschläger mit
beiden Händen umklammernd, betrachtete er schwer atmend diese Frau, oder war
das etwas anderes? wirklich eine Frau ?, die wie aus dem Nichts
aufgetaucht in seine Nachtschicht getrampelt war, die er wie immer mit zwei,
drei Bierchen in einem Liegestuhl hinter der Rezeption dösend verbrachte.
Wortlos standen sie sich gegenüber und starrten einander an, bis Frau Weinwurm
als Erste zwinkerte, und sie dies als Zeichen nahm, dass es an ihr war, das Eis
mit einem freundlichen Wort zu brechen.
    »TSCHOHN DABBELJU!«,
 formte sie mit übertrieben akkurat und weit auseinander gezogenen Lippen,
damit keine Missverständnisse in der fremden Sprache aufkämen, und deutete auf
den Bildschirm.
    »I love
him so much! And do you have... äh… just a second, my dear young fellow!« Frau Weinwurm nestelte in ihren
geräumigen Rock und zog einen vergilbten Sprachführer hervor, den sie noch in
ihrer Schulzeit aus dem Regal ihrer Mutter gemopst hatte und den sie bei ihrer
rasanten Packerei vor zwei Tagen geistesgegenwärtig in ihre Tasche gestopft
hatte. Denn sie hatte schon im Flugzeug gemerkt, neben diesem entzückenden
alten Herrn mit den Silberlocken, der ihr all die unbekannten und verwirrenden
Vorrichtungen an ihrem Sitzplatz erklärte, dass sie sich nur flüssig
verständigen konnte, indem sie Textpassagen ihrer auswendig gelernten Country
Songs wiedergab, und ihr fiel im Moment kein Lied von einem müden Cowboy
auf der Suche nach einem Motelzimmer ein.
    »VACANCY!«, strahlte
sie den jungen Mann an, der den Baseballschläger vorsichtig beiseite stellte.
    »Yes, sure, Ma’am.«
 
    Während er hinter dem
Tresen abtauchte, um nach Kugelschreiber und den Gastformularen zu fischen,
trat Frau Weinwurm an die Rezeption, stellte sich auf die Zehenspitzen, so dass
die neuen steifen Stiefeln ächzten, und lugte neugierig darüber. Sie musterte
den gestreiften Liegestuhl, die Heineken-Dosen, die sich in einer kleinen Wanne
voll Eiswürfel aneinander schmiegten, einen Aschenbecher, in dem die
ausgedrückten Stummel exakt nebeneinander lagen. Eine halbvolle Packung Zigaretten
lehnte an der Bierwanne, eine noch ungeöffnete wartete artig daneben. Frau
Weinwurm bemerkte, dass die beiden Packungen im exakt gleichen Winkel an der
Plastikwanne lehnten, und sie nickte zufrieden, denn hierzu fiel ihr doch
tatsächlich ein Scherz in der fremden Sprache ein!
    »Ah, no
smoking in America! I know that, my dear young boy! And why Camel, isn’t this
Marlboro Country? Here?«
    Angetan von ihrem
ersten amerikanischen Witz, gluckste sie aufmunternd in das Gesicht des jungen
Mannes unter ihr, der zögernd nickte und einen verstohlenen, sehnsüchtigen
Blick auf seine Liegestuhlidylle warf. Er legte das Anmeldeformular und einen
Kugelschreiber parat und trat einen Schritt an die Wand zurück, räusperte sich
und ließ die Fingerspitzen auf dem Knauf des Baseballschlägers ruhen, während
er die Frau vor dem Tresen beobachtete.
    Was hatte sie für
einen riesigen Schädel! Wie ein Dinosaurier! Und ein rundes, bleiches Gesicht
wie ein Teigfladen! Wow ! Und wo kam sie überhaupt her? Einen Wagen hätte
er doch gehört?
    Frau Weinwurm lag mit
aufgestützten Ellenbogen auf dem glänzend polierten Tresen und malte mit
konzentrierten Bewegungen die Felder aus: Name, Vorname, Anschrift, Passnummer.
Sie warf einen schnellen Blick auf den undurchdringlichen Jungen, der sie mit
seinen dunklen Augen (verflixt, sie musste schon wieder als Erste zwinkern!)
musterte. So dunkle Augen, so braune Haut und ein schwarzer, zu einem lässigen
Pferdeschwanz geraffter Haarschopf, oh, womöglich ihr erster amerikanischer
Indianer, in Echt und nicht in Spiel ? Sie fragte sich, ob er ihr ansehen
würde, dass sie jetzt, in eben diesem Moment, bei der Adresse schummelte, au
weia, hoffentlich wurde sie nicht mächtig rot! Aber schon spürte sie, wie Hitze
sich über ihre Wangen ausbreitete, und sie beugte sich tief über das Formular.
Sie pustete eine staubige Strähne beiseite, die sich aus den perlmuttfarbenen
Haarkämmen, die wie kleine, bleiche Blutegel ihren Kopf bedeckten, gelöst
hatte, und hoffte, dass
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