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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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zum Ausdruck gebracht, dass man übers Familienbizinis
sowie über das echte Bizinis einen großen breiten Mantel des Schweigens
breitet, das ist der Basisgedanke! Und damit hatte er sicher Recht, denn
Frau Kraus-Hilfskötter hatte vorgeschlagen, dem Wachstum mit einer Diät zu
begegnen, und Terese hatte nur resigniert den Kopf geschüttelt. Das hatten sie
alles schon hinter sich, und es war nicht so, erklärte sie Frau
Kraus-Hilfskötter, die mitfühlend und entspannt zuhörte, denn ihre kleine,
wieselflinke Elfentochter hatte letzten Winter den zweiten Preis bei den
badischen Kinder-Eistanzmeisterschaften gewonnen, dass Ivonne dick war, nein,
dick war sie beileibe nicht! Sie war nur so… Terese fehlten die Worte und Frau
Kraus-Hilfskötter sprang hilfsbereit ein: Kräftig, ausufernd, molossig, riesig,
fleischig, kolossal?
    Terese schüttelte den
Kopf und ihr zu einem kindlichen Mozartzopf geflochtenes Haar kitzelte über
ihre Schultern. Ein leichtes Brennen kündigte einen nahenden Sonnenbrand an,
und Terese wühlte sogleich in ihrer geräumigen Strandtasche, kramte zwei
Schulterpolster mit aufgenähten Clips hervor und befestigte sie an ihren
Bikiniträgern. Wie sehr Herr Weinwurm es hasste, wenn sie Sonnenbrand bekam und
sich die langen, grauen Hautfetzen dann auf Kissen und Laken im gemeinsamen
Urlaubsbett krümmten und wandten. Sie hörte es schon! » Boah, ist das
widerlich, ich schlaf auf der Couch, nein, noch besser, DU schläfst auf der
Couch, Terese! « Und schon hatte sie in diesem Frühjahr die tolle Idee mit
den Schulterpolstern gehabt! Wo waren nur all die wunderbare Fantasie und die enorme
künstlerische Begabung, die die Mutter auszeichneten, dachte Terese, das
Leichte, Tänzelnde, bei der Tochter abgeblieben?
    »Wollen wir zwei im
Herbst mal so einen Mutter-Tochter-Aerobic Kurs im Turnverein machen?«
    ----
    »Ivonne-chérie?«
    ----
    »Ich spreche mit dir, Madame !«
    Ivonnes Kopf hob sich
langsam, und sie blinzelte erstaunt, als die Bilder in Zeitlupe Gestalt und
Farbe annahmen: Die gleisende Sonne am weißblauen Himmel, die Bocciaspieler wenige
Schritte vor ihrem Handtuch, die Jogger, Schwimmer, Surfer, die Segelboote in
der Ferne am Cap. Wellen, die sich mit deutlich mehr Schwung als heute Morgen,
oder vielleicht vor einer Stunde, schaumig brachen und auf flitzende
Kinderbeinchen zurasten, als wollten sie sie vom Strand wegschlecken! Dann
hörte sie mit einem Mal: Kindergeschrei, Lachen, das Klirren der Bocciakugeln,
Motorengeräusche, Möwen, Gläser- und Geschirrgeklapper aus einer der
Strandbars.
    » IVONNE!«
    »Mmmh?«  
    Ivonne zog ein aus
der Hörzu ausgeschnittenes Schwarzweiß-Bild von John Wayne aus »Der
letzte Befehl«  aus ihren Badeanzug und steckte es sorgfältig, damit es
nicht knitterte, in ihr Westernheft. Sie kannte den Ton ihrer Mutter und
wusste, dass sie sich dem, was auch immer es jetzt schon wieder war, stellen
musste.
    »Was hältst du von
Aerobic? Wir zwei beiden Hübschen? La mère et la jeune fille? Im Herbst? Im
Turnverein?«
    Ivonne legte die
Wange auf ihre warmen, runden Knie und umschlang mit beiden Armen ihre Beine.
Ein Auge versank in der weichen Kuhle ihrer Wange und sie starrte Terese
einäugig an. Die Strass-Steinchen  auf Tereses Sonnenbrille funkelten in
der Sonne und Ivonne dachte an die blinkenden Lichterketten, die die Familie
Kraus-Hilfskötter an Weihnachten in ihren Jägerzaun und an die Panoramafenster
im Wohnzimmer spannten und die Terese so schrecklichordinärfand .
    Durch die dunklen
Gläser konnte Ivonne nicht erkennen, ob Terese als Erste zwinkerte, aber sie
hielt ihr Zyklopenauge aufgerissen, obwohl die Blinkersteinchen und der helle
Mittagshimmel sie blendeten.
    Terese lehnte sich
zurück, da ihr die weißen Bauchfalten plötzlich wieder einfielen. Sie zog ihre
Haut über dem Bauchnabel auseinander, dem Himmel sei Dank, nichts passiert.
    »Du hast keine
Ahnung, wovon ich spreche, nicht? AEROBIC, das ist das Allerneueste, man bewegt
sich zu Musik, alles auf Gymnastikbasis, quasi, und es macht eine Menge Spaß.
Da kommt man mal richtig in Bewegung und Schwung.«
    Das Auge starrte sie
weiter unter hellblonden Wimpern an, wie ein einsamer Suchscheinwerfer, dachte
Terese und ihr Blick wanderte über das Gesicht ihrer Tochter. Die Augenbrauen
so hell und dünn, dass man sie nur ahnte, der Haaransatz, irgendwo hoch auf
ihrer Stirn, aber wo genau begann er? Die Stupsnase, die man nur erkannte, weil
ein paar blasse Sommersprossen sie verrieten, die
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