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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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in ihre Rocktasche glitt, um dies in einer
schlangengleichen Bewegung wie Old Shatterhand herauszuziehen und alle in
Schrecken erstarren zu lassen: Ein Bowie-Messer, Pfeil (scharf!) und Bogen, ein
Tomahawk (zweischneidig, wie das von Dog Warrior und Little Bear), eine
Winchester (frisch geladen), ein Colt (so groß, dass man kaum mit zwei Händen
zielen konnte!).
    Nützte es etwas, dass
Susanne nun tot in der Prärie lag, ihr Hals umwunden von Klapperschlangen, ihr
Blut von Kojoten oder Präriehunden aufgesogen? Wenn sie nicht mit Susanne zum Ärobick
gehen wollte, würde Terese die anderen Namen ihrer Klassenkameradinnen wie
Pokerkarten aus  dem Ärmel ziehen und auf den Tisch knallen: Annemie!
Carmen! Monika! Elsbeth!
    Ende der Vorstellung.
    Ivonne seufzte. Genau
das war das Problem! Es gab nur fünf Pokerkarten, rechnete man Susanne, die
mit gespaltenem Schädel von den Kojoten angefressen wurde, im nächsten
Schuljahr noch mit dazu. Insgesamt sieben Mädchen und über zwanzig Jungen, so
dass Ivonne bereits am ersten Tag bei einem verstohlenen Blick durch das neue
Klassenzimmer voll Panik begriff, dass sie keine Chance hatte sich eine
geeignete Wagenburg zu bauen und sich dahinter zu verschanzen. Der natürliche
und in jeder Schule, die Ivonne je betreten hatte, angewandte Ausleseprozess in beliebt, akzeptiert und minderwertig funktionierte bei der
geringen Anzahl weiblicher Mitschülerinnen nicht. Sicher geschützt in der
letzten Reihe pflegte Ivonne üblicherweise das Treiben in den neuen
Klassenzimmern wie ein Rinderbaron auf einer cattle auction zu beobachten,
wer wem wie viele Zettel zuschob, wer sich lässig zurücklehnte und bedienen
ließ, bei welchen Witzen aus welcher Ecke gelacht oder stöhnend gebuht wurde,
bis sie gegen Mittag alle Rinder in ihren jeweiligen Verschlag getrieben hatte.
Dann gesellte sie sich langsam pirschend zu der Gruppe der minderwertigen Mädchen
und konnte davon ausgehen, dass man sie nach einer gewissen Zeit ruhig dort
untertauchen und Schutz suchen ließ, denn es machte auch den wildesten und
gefährlichsten Burschen - die mit den echtenTattoos (gefährlich) oder
die mit denschneeweißen Shakin Stevens-Schuhen (noch gefährlicher, weil
die Eltern in diesem Fall Geld hatten und früher oder später bei Weinwurms
eingeladen würden!) - wenig Spaß, ein Wesen zu piesaken, das von vorneherein
keinen Platz in der Alpha-Herde beanspruchte und sich sofort in die Gruppe
zurückzog, die man dem Wesen früher oder später, nach all dem lästigen Geplänkel,
das nasse Schwämme im Ausschnitt und zerschnittene Hefte bedeutete, ohnedies
zugewiesen hätte.
    Aber nun, in dieser
grässlichen neuen Schule! Zu wenige Mädchen und – was noch schlimmere
Auswirkungen hatte – zu viele beliebte Mädchen! Susanne warf ihr
goldenes Haar über die Schulter und ließ es, unbeabsichtigt, ganz natürlich,
über das Federmäppchen von Hendrik gleiten, der spielerisch mit seinem Zirkel
danach schnappte und zog, und von allen Jungs: Hendrik mit der schwarzen
Poppertolle und den fliederfarbenen Poloshirts! Der wie der Diktator eines
kleinen Inselreiches mit zurückgeworfenem Popperkopf, dass sein ausrasierter
Nacken entzückende Falten warf, unter halb geschlossenen Lidern gelangweilt zuhörte,
wie er bei der Auszählung einhundert Prozent der Stimmen zum Klassensprecher
bekam. Neben Susanne saß, ihr beinahe ebenbürtig, die quirlige Annemie mit dem
Nena-Fransenschnitt, den sie zärtlich schüttelte, wenn sie etwas gefragt
wurde, von dem niemand, sie selbst am wenigsten, ausgehen konnte, dass sie es
wüsste und beantworten konnte. Annemie konnte nicht rechnen, nicht richtig
schreiben und obwohl sie ohne Unterlass redete, konnte sie auch nicht richtig
in Worte kleiden, was ihr durch den Kopf ging, aber sie spielte auf ihren
braungebrannten, stämmigen Beinchen in kurzen, weißen Röckchen hinreißend
Tennis im Ortsverein, in dessen Vereinslokal hinter großen Panoramafenstern
Annemies Vater und der Direktor des Gymnasiums beim Bierchen zusammensaßen.
Und so kam es, dass Annemie Jahr für Jahr versetzt wurde und kurz vor den
Sommerferien ihre dunklen glatten Schultern und Arme – und sogar der Rücken
fast bis zur Schließe des BHs nackt, eine Ungeheuerlichkeit, die nicht einmal
die Mädchen in der Oberstufe wagten! -  im rutschigen
Flashdance-Sweatshirt präsentieren konnte, während sie ihr Zeugnis ungelesen
und hochgradig lässig in ihren Benetton-Lederbeutel warf, was ihr anerkennendes
Grinsen der
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