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Die Elfen des Sees

Die Elfen des Sees

Titel: Die Elfen des Sees
Autoren: Monika Felten
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würde, aber genau das Gegenteil war der Fall. Je dunkler es wurde, desto mehr verstärkte sich das Gefühl, und endlich fand Lya-Numi auch einen Namen dafür: Magie! Es lag Magie in der Luft.
    »Lya-Numi, sieh!«
    Es war schon fast dunkel, als die Hohepriesterin sie unvermittelt an der Schulter berührte und mit dem ausgestreckten Finger auf einen Punkt hoch über ihren Köpfen deutete.
    Lya-Numi schaute blinzelnd auf, konnte aber nichts erkennen außer ein paar Sternen, die sich schon früh am Nachthimmel zeigten. »Ich sehe nichts«, gab sie flüsternd Antwort.
    »Warte.« Die Hohepriesterin sah gebannt nach oben. »Warte.«
    Lya-Numi wartete. Suchend irrte ihr Blick am Himmel umher und fand schließlich ein leuchtendes Gebilde, das sich zu bewegen und näher zu kommen schien. »Was ist das?«, fragte sie, ohne die Augen von dem seltsamen Leuchten abzuwenden.
    »Das Elfenfeuer.« Die Worte der Hohepriesterin waren nicht mehr als ein Flüstern. »Das heilige Elfenfeuer, das zu sehen nur wenigen Nebelelfen gestattet ist.«
    Das Elfenfeuer …
    Lya-Numi erschauderte, als sie begriff, welch unglaubliche Ehre ihr zuteil wurde. Gebannt beobachtete sie, wie die funkelnde Wolke aus goldenem Sternenstaub aus den Tiefen der Sphäre heranschwebte. Ihr glühender Schweif zog sich viele hundert Längen über den Nachthimmel, wie eine riesige Schlange, deren Schwanzspitze sich irgendwo in der Unendlichkeit verlor.
    Als sie näher kam, glaubte Lya-Numi leise Musik zu hören – ein Summen von solch überirdischer Schönheit, dass sie augenblicklich allen Kummer und alle Furcht vergaß. Die Melodie erschuf in ihr ein so vollkommenes Glücksgefühl, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.
    Bald war die Wolke so nah, dass Lya-Numi versucht war, die Hand auszustrecken, um einen der goldenen Funken zu berühren. Berauscht von der Magie des Augenblicks und geborgen in den wundersamen Klängen, verfolgte sie die anmutig tanzenden Bewegungen der Abermillionen Lichter, die wie ein riesiger Leuchtkäferschwarm über dem Felsvorsprung hin- und herwogten.
    Dann geschah etwas, was Lya-Numi erzittern ließ.
    Aus der Wolke lösten sich nacheinander einzelne Lichtpunkte, schwebten auf sie zu und veränderten sich dabei auf unglaubliche Weise. Sie wurden größer und durchscheinend, flossen wie Nebel auseinander und formten schließlich geisterhafte Gestalten.
    Nebelelfen! Sie tauchten aus dem Nebel auf, schwebten an Lya-Numi vorbei und verschmolzen wieder mit dem Dunst. Manche lächelten ihr kurz zu. Bei anderen glaubte sie, eine Berührung zart wie ein kühler Atemhauch auf der Wange zu spüren. Sie erkannte ihre Großmutter und ihren Großvater, eine Freundin, die viel zu früh gegangen war, und den Bruder ihres Vaters, der nicht von der Jagd auf Steppenbüffel heimgekehrt war. Die Berührungen und das Lächeln waren so tröstlich und voller Wärme, dass sie nicht anders konnte, als zu weinen.
    Nicht weinen!
    Aus der lieblichen Melodie, die all die wundersamen Erscheinungen begleitete, formten sich zwei Worte in Lya-Numis Gedanken. Zart wie Nebelschleier schwebten sie heran und verwehten, sobald ihr Sinn sich ihr enthüllte. Dennoch erkannte sie die Stimme sogleich.
    »Dirair?« Hastig wischte Lya-Numi die Tränen fort und schaute sich um. »Dirair? Wo bist du?«
    Ich bin hier, bei dir. Und ich werde es immer sein …
    Aus dem Nebel formte sich Dirairs vertrauter Anblick. So lebensnah, wie sie ihn in Erinnerung hatte, und doch so durchscheinend, dass es keinen Zweifel geben konnte, wohin er jetzt gehörte.
    »Dirair! O nein …« Lya-Numi sprang auf und streckte ihm voller Sehnsucht die Arme entgegen. »In Namen der Gütigen Göttin, sag, dass es nicht wahr ist«, flehte sie mit tränenerstickter Stimme. »Sag, dass ich das alles nur träume.«
    Es ist wahr, und du weißt es , hörte Lya-Numi Dirair in ihren Gedanken. Ich habe dir jede Nacht eine Botschaft geschickt, aber du wolltest mich nicht erhören. Es … es tut mir leid. So leid. Der Quarlin … wir waren nicht stark genug. Verzeih mir. Seine Gestalt flimmerte, und Lya-Numi spürte Panik in sich aufsteigen.
    »Dirair!«, rief sie mit sich überschlagender Stimme. »Geh nicht!«
    Verzeih mir … ich liebe dich …
    Die Nebelgestalt entfernte sich weiter, als ob sie gerufen wurde. Ihre Stimme wurde mehr und mehr von dem melodischen Klingen übertönt, und die Worte erreichten Lya-Numi bruchstückhaft.
    »Ich liebe dich auch!« Lya-Numi schluchzte auf, doch da war die Nebelgestalt
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