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Die Elfen des Sees

Die Elfen des Sees

Titel: Die Elfen des Sees
Autoren: Monika Felten
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zurückkehrt?«
    Lya-Numi erschauerte. Der Blick, mit dem die Hohepriesterin sie musterte, schien ihr bis auf den Grund der Seele zu reichen. Sie fühlte sich nackt und ausgeliefert und spürte, dass Gilraen die Antwort längst kannte. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte nicht lügen können.
    »Wenn Dirair nicht mehr lebt, gibt es nichts, das mich im Grasland hält«, antwortete sie ehrlich.
    »Nichts?« Die Hohepriesterin zog erstaunt eine Augenbraue in die Höhe. »Was ist mit deiner Familie?«
    »Sie ist nicht von Belang. Versteht mich nicht falsch. Ich liebe meine Eltern und meinen Bruder, aber ich würde mir von ihnen nie vorschreiben lassen, was ich zu tun habe.«
    »Das klang vor ein paar Sonnenläufen aber noch ganz anders. Damals sagtest du, es sei dir bestimmt, die Tradition deiner Familie fortzuführen und Fischerin zu werden.«
    »Ich weiß.« Lya-Numi senkte beschämt den Blick. »Verzeiht. Es … es war nicht gelogen, aber es ist auch nicht so unumstößlich, wie es sich vielleicht angehört haben mag. Für mich war es ein willkommener Vorwand, weil ich Euch nichts von meiner Sorge um Dirair erzählen wollte.«
    »Verstehe.« Die Hohepriesterin nickte bedächtig. Sie schien kurz etwas zu überlegen und fragte dann: »Wenn ich dir einen Weg weisen würde, der es dir ermöglicht, Gewissheit über Dirairs Schicksal zu erlangen, würdest du ihn annehmen?«
    »Ja. Im Namen der Gütigen Göttin – ja.«
    »Auch wenn die Gefahr besteht, dass die Antwort nicht so ausfällt, wie du es dir erhoffst?« Die Hohepriesterin ließ Lya-Numi nicht aus den Augen.
    »Auch dann.« Lya-Numi hielt dem Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie wollte stark sein, fügte dann aber doch leise hinzu: »Alles ist besser als diese furchtbare Ungewissheit.«
    Die Hohepriesterin nickte schweigend. Sie schien mit dem Verlauf des Gesprächs zufrieden zu sein. Lya-Numi nicht. »Und?«, fragte sie, als Gilraen nicht von sich aus zu sprechen begann. »Kennt Ihr denn einen Weg, die Wahrheit zu erfahren?«
    »Es gibt einen«, erwiderte die Hohepriesterin ausweichend. »Ich werde tun, was in meiner Macht steht, aber ich kann dir nichts versprechen.« Sie erhob sich und deutete zur Tür. »Es ist besser, wenn du jetzt gehst«, sagte sie abschließend. »Ich werde sehen, was ich für dich – und für die Gemeinschaft der Priesterinnen – tun kann.«
    »Aber …?« Lya-Numi machte keine Anstalten, der Aufforderung nachzukommen. Die Hohepriesterin hatte sie neugierig gemacht, und sie wollte mehr erfahren.
    »Kein Aber.« Gilraen schüttelte den Kopf. »Ich werde dich rufen lassen, wenn ich mehr weiß. Jetzt ist es dafür noch zu früh.«

Die Priesterin
    »Jetzt versuche du es.« Elwren blickte Lya-Numi aufmunternd an. Mehr als zehn Sonnenläufe waren vergangen, seit die Hohepriesterin Lya-Numi zu sich gerufen hatte. Weder war eine Nachricht von ihrem Bruder eingetroffen, noch hatte Gilraen ihr Versprechen eingelöst, Lya-Numi erneut zu sich zu rufen. Dass Lya-Numi dennoch nicht die Geduld verlor, lag daran, dass die Priesterinnen begonnen hatten, sie in der Gedankensprache zu unterrichten, obwohl sie das vorbestimmte Alter noch nicht erreicht hatte.
    Die Aussicht, endlich an dem teilzuhaben, was ihr seit mehr als zweihundert Sommern verwehrt war, begeisterte Lya-Numi, aber mehr noch spornte sie die Aussicht an, endlich selbst auf diese Weise nach Dirair suchen zu können.
    Wann immer sie Zeit fand, traf sie sich mit Elwren, die ihr inzwischen zu einer Freundin geworden war, um das Erlernte zu vertiefen und sich im Umgang mit der Sprache ohne Worte zu üben.
    Die ersten Übungen mit anderen Novizinnen waren eine eigentümliche Erfahrung gewesen. Obwohl die Priesterinnen ihnen die ersten Schritte geduldig erklärt hatten, waren die Versuche, einander anzusprechen, kläglich gescheitert. Lya-Numi war nicht die Einzige gewesen, die sich am Ende der Lektionen für gänzlich ungeeignet gehalten hatte, die Gedankensprache zu erlernen. Erst seit Elwren sich ihrer angenommen hatte und die Übungen mit ihr wiederholte, stellten sich zaghafte Erfolge ein.
    Als sie Elwrens Stimme zum ersten Mal in Gedanken gehört hatte, war Lya-Numi überglücklich gewesen. Nun galt es, auch in Elwrens Gedanken Worte zu erzeugen, aber das war ihr bisher noch nicht gelungen. Wie die Priesterinnen es sie gelehrt hatten, suchte sie zunächst den Blickkontakt zu ihrer Freundin, konzentrierte sich und formte dann in Gedanken ihren Namen: Elwren .
    »Und?«,
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