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Die Elfen des Sees

Die Elfen des Sees

Titel: Die Elfen des Sees
Autoren: Monika Felten
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sie nun endlich wiedersehen würde.
    Der Quarlin duckte sich, legte die Ohren an und bleckte die Zähne. Lya-Numis Hände umfassten den brennenden Stock so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Nur wenige Schritte trennten sie noch von der Bestie, aber sie dachte nicht an Flucht. Sie war bereit zu kämpfen und zu sterben.
    Lya-Numi!
    Lya-Numi zuckte zusammen, als die vertraute Stimme ihren Geist berührte. Dirair? Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Er ist es, schoss es ihr durch den Kopf. Er ist hier. Er ist gekommen, mich zu sich zu holen. Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende geführt, als zwischen ihr und dem Quarlin ein gleißendes Licht erschien. Und mitten in diesem Licht stand Dirair!
    Lya-Numi glaubte zu träumen. Er schaute sie nicht an. Sein Gesicht war dem Quarlin zugewandt. Wie sie es damals in ihrer Vision gesehen hatte, hielt er auch diesmal den Speer abwehrbereit in den Händen. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt, der Blick starr nach vorn gerichtet. Sein Atem ging stoßweise.
    Flieh, Lya-Numi!
    Fliehen? Lya-Numi glaubte sich verhört zu haben. Sie wollte nicht fliehen. Sie wollte …
    Flieh! Deine Zeit ist noch nicht gekommen.
    Aber ich … Der Kummer ließ Lya-Numi die Kehle eng werden. Was wollte das Schicksal ihr denn noch aufbürden? Sie hatte so lange gelebt, so lange gewartet …
    Unser Volk braucht dich. Du kannst mir nicht folgen.
    Der Quarlin fauchte wild. Die Lichterscheinung schien ihn zu verwirren – aufhalten konnte sie ihn nicht. Mit schreckgeweiteten Augen sah Lya-Numi, wie er sprang, mitten durch das Licht hindurch. Dirair riss den Speer in die Höhe. Als die Spitze sich in den Bauch des Quarlins bohrte, geschahen drei Dinge gleichzeitig. Ein gewaltiger Donnerschlag erschütterte den Boden. Die Welt um Lya-Numi herum wurde in ein gleißendes Licht getaucht, und sie verlor den Boden unter den Füßen. Wie ein Blatt im Wind fühlte sie sich durch die Luft getragen …
    Als sie zu sich kam, fand sie sich unweit von Caira Dan in den Sümpfen wieder. Aus der Ferne konnte sie Kampflärm und die Todesschreie der Nebelelfen hören. Ohne zu zögern, sprang sie auf, um ihren Brüdern und Schwestern zu Hilfe zu eilen, und erstarrte mitten in der Bewegung. Ein massiger Körper, der sich vor ihr aus dem Unterholz schob, versperrte ihr den Weg.
    Noch ein Quarlin! Hinter Lya-Numis Stirn überschlugen sich die Gedanken. Was ging hier vor? Hatte Dirair sie nur gerettet, damit ihr Leben jetzt ein Ende fand? Das konnte nicht sein.
    Flieh. Deine Zeit ist noch nicht gekommen , hörte sie Dirairs Stimme wieder in ihren Gedanken. Unser Volk braucht dich. Du kannst mir nicht folgen.
    … unser Volk braucht dich.
    Lya-Numi atmete tief durch. Sie hatte keine Wahl. Der Weg zurück war ihr ebenso verwehrt wie der Weg in die Gestade der Ahnen. Sie musste sich dem Willen der Gütigen Göttin fügen – so wie sie es schon einmal getan hatte. Der Quarlin kam näher und machte ihr die Entscheidung leicht.
    »Verzeiht mir«, schluchzte sie mit einem verzweifelten Blick in Richtung des Kampfplatzes. Dann wandte sie sich um und begann zu laufen.

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