Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
zusammengerufen, meine Herren, um Ihnen von einem Vorfall Kenntnis zu geben, der einmalig in der Kriminalgeschichte sein dürfte.«
    Der Polizeipräsident machte eine Kunstpause. Er legte gern solche Redeunterbrechungen ein … um so wirkungsvoller waren die folgenden Worte, weil sie auf ein gut mit Spannung gedüngtes Feld fielen. Auch jetzt bemerkte er bei einem kurzen Rundblick nur angespannte Gesichter, sogar Kriminalrat Beutels, der als einziger bei Konferenzen Zigarren rauchen durfte, weil der würzige Geruch einer Brasil ihn zu erstaunlichen Denkleistungen anregte, blickte erwartungsvoll.
    Im Sitzungszimmer des Präsidiums hätte man die Luft durchschneiden können. Vor den Fenstern rieselte der typische Aprilregen auf Dächer und Straßen, die Zentralheizung lief auf vollen Touren, ein naßkalter Wind rüttelte an den Scheiben – es war unmöglich, ein Fenster zu öffnen und zu lüften.
    Kriminalrat Beutels kaute nervös an seiner Brasil. Wenn eine solche Konferenz einberufen wurde, ohne Ankündigung, gewissermaßen ein Alarmfall, dann dampfte irgendwo der Mist zum Himmel. Man kannte das von einigen anderen überstürzten Zusammenrufen: Einmal war's die vertraute Meldung, daß eine Demonstration des SDS die Stadt verunsichern würde, das andermal war ein Kind entführt worden. Immer wurde eine Sonderkommission gebildet, die dann im Dunkeln tappte wie ein Nachtblinder, hundert Spuren nachging, Berge von Papier vollschrieb und am Ende durch einen lächerlichen Zufall von aller Mühe befreit wurde.
    Beutels dachte an den Fall Lebach. Nächtlicher Überfall auf ein Waffendepot der Bundeswehr. Mehrfacher Mord an der Wachmannschaft. Und wer löste ›Lebachs gesammelte Rätsel‹, wie man den Fall bald nannte? Eine Wahrsagerin! Damals hatte Beutels angeregt, jedem befähigten Leiter eines Kommissariats eine Sonderausbildung bei Wahrsagern und Sterndeutern angedeihen zu lassen. Beutels konnte sich solche Ausfälle leisten, er war das, was man unersetzbar nennt. Ein Berg von Erfahrungen und Intuitionen. Manche nannten ihn ein kriminalistisches Genie, aber das war übertrieben. »Man muß nur den Menschen kennen«, damit erklärte Beutels seine Erfolge. »Das heißt: Man muß sich selbst genau kennen. Wer kritisch in sich selbst hineinsehen kann, wird 90 Prozent aller Verbrecher anhand der jedem Menschen eigenen verbrecherischen Begabung aufdecken können.«
    Seit diesem denkwürdigen Satz nannte man Beutels den ›größten Verbrecher unter den Kriminalisten‹.
    »Hat man wieder ein neues Lebach?« fragte er ziemlich laut in die Stille hinein. Die Kunstpause des Polizeipräsidenten stellte plötzlich kein Vakuum mehr dar. »Oder rollt eine neue radikalrote Revolution auf uns zu?«
    »Schlimmer.« Der Polizeipräsident hob ein Blatt Papier. Beutels und die anderen Kommissare sahen, daß es ein Fernschreiben war. Von der Geschäftsstelle des Olympischen Komitees war es nach dem Telefonat durchgegeben worden. Es war so geheim, daß der Polizeipräsident selbst zum Fernschreiber geeilt war und den diensthabenden Beamten mit Handschlag noch einmal besonders zur Geheimhaltung vergatterte.
    Kriminalrat Beutels ließ seine Brasil quer durch den Mund wandern.
    »Also Kindesraub. Wieviel Lösegeld?«
    »10 Millionen Dollar«, sagte der Polizeipräsident trocken.
    Beutels Augen wurden groß und rund. »Hat man den jüngsten Sproß von Brandt geklaut?« Er nahm seine Zigarre aus dem Mund und klemmte sie zwischen seine Finger. »Wer kann so idiotisch sein, in Deutschland 10 Millionen Dollar zu verlangen? Das sind 35 Millionen Mark. Von einem Privatmann? Ausgeschlossen! Also muß es ein sogenanntes Staatskind sein, und der Staat soll aus Steuergeldern das Geld aufbringen.«
    »Irrtum, Herr Beutels.« Der Polizeipräsident lächelte mokant. »Ich lese Ihnen, meine Herren, den Brief vor, den Herr Daume – jawohl, unser Willi Daume, Mister Olympia – heute morgen mit der Post bekommen hat.«
    Es war grabesstill, als der Text verlesen wurde. Erst am Ende, beim Absender, dem ›Komitee und Aktionsgemeinschaft für friedliche Spiele‹ gluckste Beutels auf. Auch ein tadelnder Blick seines Präsidenten bremste nicht seine Fröhlichkeit.
    »Ihre Meinungen, meine Herren.« Der Polizeipräsident legte das Fernschreiben weg. »Das Original des Briefes ist bereits im Labor zur eingehenden Untersuchung. Was halten Sie davon?«
    Es war wieder Beutels, der als erster sprach. Man ließ ihm gern den Vortritt. In solch heiklen Situationen war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher