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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Party, sage ich Ihnen, höchst geistvoll, Bereicherung des öden Alltags, der Mann hat ja ein enzyklopädisches Wissen, reitet in allen Sätteln« –, und siehe da, aus ›Sätteln‹ erwuchsen Erinnerungen an die Kavalleriezeit, Offiziersreitschule Eberswalde, Anekdoten, etwa: »Da sagt der Rittmeister am ersten Tag: ›Wer kann reiten?‹ – Ich melde mich sofort. Drei Schritte vor. Rittmeister mustert mich durch Monokel – es war ein Freiherr von und zu Poppelsdorf oder so ähnlich –, brüllt los: ›Was?! Sie können reiten? Rauf auf 'n Gaul!‹ Ich wetze in die Manege, schwinge mich hoch, wie gelernt in Reitschule, trabe eine Runde, Kreuz hohl, Kinn an den Kragen, und da geht das Donnerwetter los: ›Was? Das nennen Sie reiten? Wie'n lahmer Affe auf 'ner Liane sehn Sie aus! Runter! Der Gaul stirbt an Lachkrampf! Sattel ab! Und nun aufsteigen, mein Herr Leutnant. Und – – – Gaaaa-lopp – – – ganze Bahn! …‹ Ich komme bis zur Hälfte, das Aas von Pferd bockt, scheint den Rummel zu kennen, ich fliege in den Sand … Na, ich sage Ihnen … der von und zu Poppelsdorf oder so ähnlich hat mir den Hintern wundgeschliffen! Dachte, ich wär'n Pavian! Sogar die roten Knoten war'n da …« Rote Knoten. Stichwort: Sozis. Rummelmann holt tief Atem. Er ist CSU. Seit Anbeginn. Hat Adenauer bewundert, versteht nicht, daß bisher kein Papst ihn heilig- oder zumindest seliggesprochen hat. Trägt bei der Prozession die größte Kerze und singt mit durchdringendem Baß: »Maria zu lieben ist allzeit mein Sinn – – –« Aber da sind nun die Sozis an der Regierung … in Bonn wohlverstanden, in Bayern nicht, nie mehr, das kann garantiert werden, da wacht schon die Kirche darüber, jeder Pfarrer ein Propagandist für die gute, ehrliche Sache. Das ist ja das große, unstehlbare Glorium der Partei – das C im Namen. Christlich! Wer kann dagegen an? Das geht bis in die Herzwurzel. Man stelle sich vor, die SPD nenne sich um. Neue Firma: CSPD – Christlich Soziale Partei Deutschlands. Ein Unding. Einwurf: Was bedeutet denn CSU? Christlich Soziale Union! Also auch sozial! Rummelmann überhört diese Logik. Stichwort Partei: Drittes Reich. Nazis! Unerschöpfliches Thema für seine Generation … dafür reicht ein hundertjähriges Leben nicht aus. »War ja auch ein tausendjähriges Reich, hahaha!« Rummelmann lacht. »Ich kann bis heute nicht verstehen, daß wir keine Zwerge sind. Tausend Jahre marschieren – das wetzt doch ab! Wir müßten doch aufm Zahnfleisch laufen. Marschtritt mit dem Oberkiefer …« Neues Thema: Oberkiefer. »Kennen Sie Dr. Zange? Nein? Schade. Was glauben Sie … ein Mann, der Zange heißt, wird Zahnarzt! Ist das Humor? Umwerfend, sag ich! Der Mann hat Niveau. Kommt da neulich ein Patient zu ihm und begrüßt ihn: ›'n Tag, Dr. Bohrer!‹ Haha!«
    Das war Dr. Rummelmann. Wenn man ihn reden ließ, ohne ihn zu unterbrechen – und ihn zu unterbrechen, wäre kriminell gewesen –, konnte man sich von des Tages Müh' und Last erholen. Ein Bad in Worten, eine Sauna im Dunst sich verwebender Sätze genießen. Aber heute war Rummelmann geradezu beängstigend kurz. Ohne Zweifel: Das Entsetzen hatte ihn gepackt.
    Der Präsident atmete tief auf, betrachtete noch einmal den Brief und setzte dann über die Sprechleitung zu seinem Sekretariat einen Apparat in Bewegung, wie ihn die Welt bisher noch nicht hatte arbeiten sehen.
    »Holdchen, nacheinander – und zwar schnell – folgende Gespräche: Polizeipräsident, Innenministerium Bonn, Minister persönlich, Bundeskanzleramt, Generalbundesanwalt in Karlsruhe, Oberbürgermeister hier, gesamter Bauleitungsstab Olympia. Und für niemand anderen mehr bin ich heute zu sprechen.«
    »Und die Termine?« fragte Fräulein Bernhold. Sie hatte den großen, dicht beschriebenen Kalender vor sich liegen.
    »Alles absagen.«
    »Aber –«
    »Absagen! Erfinden Sie irgendeine Ausrede, Holdchen. Eine glaubhafte.«
    Fräulein Bernhold machte einen dicken Strich quer über alle Termine.
    Sie wußte nicht, daß dieser Strich eine makabre symbolische Bedeutung für die Zukunft haben konnte.
    Das Ende der Olympischen Spiele in München. Der XX. Olympiade neuerer Zeitrechnung.
    Ein Atompilz über Europa.
    Fräulein Bernhold rief ahnungslos zuerst den Polizeipräsidenten in der Münchner Ettstraße an. Er war sogar erreichbar und nicht in irgendeiner Besprechung.
    Der Stein, ins ruhige Wasser geworfen, begann seine Kreise zu ziehen.

Polizeipräsidium
    »Ich habe Sie
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