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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika
Autoren: Manfred Kyber
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Fläche, von einem Ende zum anderen.
    Die Pest von Florenz hatte ihn gezeichnet.
    Es war ein stiller, ein wenig trüber Wintertag nach dem Karneval auf Irreloh. Johannes Wanderer saß, in ein altes Buch versunken, allein im grünen Zimmer und las. Das grüne Zimmer war nun freundlicher und lichter geworden, und das Bilderbuch der grauen Frau führte darin nicht mehr sein unheimliches halbes Leben. Denn die graue Frau hatte das Haus der Schatten verlassen und war schon lange über die Schwelle gegangen in eine andere Welt. Es war das damals gewesen, als es hell wurde in der Kirche zu Halmar, und die Lebenden und die Toten den Gottesdienst in ihr hielten.
    Jetzt trat Veronika ins grüne Zimmer, und Johannes Wanderer ließ das Buch sinken. Veronika setzte sich neben ihn.
    »Störe ich dich, Onkel Johannes?«
    »Nein, Veronika, aber warum siehst du so feierlich aus?«
    Veronika bog den Kopf zur Seite.
    »Warst du gestern noch lange in Irreloh, Onkel Johannes?«
    »Nein, Veronika, nicht sehr lange. Ich ging zu Fuß nach Hause. Es war eine schöne Nacht. Ich brauchte einen anderen Eindruck nach dem bunten Gewimmel der Masken. Hast du dich gut unterhalten, mein Kind?«
    »Ich glaube, ich bin kein Kind mehr, Onkel Johannes, ich bin ja auch gestern schon auf dem Karneval der Großen gewesen. Es war auch schön, nur mochte ich es nicht leiden, wenn du mit Ulla Uhlberg getanzt hast.«
    »Warum soll ich nicht mit Ulla Uhlberg tanzen?« fragte Johannes Wanderer freundlich.
    Magister Mützchen hockte ängstlich unter dem Bildnis der grauen Frau.
    »Falle nicht, kleine Veronika«, rief er leise, »gehe nicht über diese Schwelle, es ist ein Dornenweg für dich.«
    Veronika hörte Magister Mützchen nur wie aus weiter Ferne. Hochaufgerichtet stand hinter ihr der Engel mit dem Leuchter und den drei Lichtern. Die rote Flamme brannte wild und flackernd. Sie war größer als die beiden anderen. Veronika aber sah es nicht. Es ist dies so, daß das rote Licht uns die Augen blendet für die Wege und Wirrnisse des Lebens, wenn es stärker brennt als die blaue und die goldene Flamme.
    »Warum, Onkel Johannes?« fragte Veronika zaghaft, »weil ich mit dir tanzen möchte, weil ich dich allein für mich haben will, weil ich dich liebe, Onkel Johannes, darum ist es.«
    Ihre Lippen zitterten in verhaltenem Weinen.
    Johannes Wanderer nahm Veronika vorsichtig und behutsam in die Arme, wie einen sehr zerbrechlichen Gegenstand aus feinem Kristall.
    »Sieh mal, Veronika«, sagte er, »es ist sehr schön, daß du mich lieb hast, und ich liebe dich auch mehr als alle anderen. Aber ich kann ja nicht dir allein gehören, Kind. Die Menschen, die heimlich die silberne Rüstung tragen, die du ja auch gesehen hast, sind ausgesandt worden für eine Aufgabe, die sie zu erfüllen haben. Sie dürfen nicht einem Menschen allein gehören, weil sie ihrer Aufgabe dienen müssen. Das ist oft schwer für sie und andere, aber es ist eine Bürde, die sie auf sich genommen haben. Du mußt das verstehen, Veronika.«
    Veronika nickte.
    »Ich weiß es, daß du mich liebst, Onkel Johannes. Aber ich liebe dich noch anders. Ich liebe dich so, wie mich Peter liebt.«
    Johannes Wanderer strich ihr mit einer unendlich weichen Bewegung über das Haar.
    »Wir haben uns beide einmal so geliebt, Veronika. Das ist in einem früheren Leben so gewesen, in Paris. Wir wollen uns das nicht zurückwünschen. So wie es jetzt ist, so ist es für heute besser, glaube es mir.«
    »Falle nicht, kleine Veronika, es sind so viele Stufen im Haus der Schatten«, flüsterte Magister Mützchen unter dem Bildnis der grauen Frau.
    »Es ist dies so, Veronika«, fuhr Johannes Wanderer fort, »daß der Maskentanz des Lebens für dich begonnen hat und das rote Licht in deinem Leuchter flackert. Es muß stiller werden und sich der goldenen Flamme neigen, wie es auch das blaue Licht getan. Dann leuchten die drei Lichter in Frieden zusammen, und Gestern, Heute und Morgen ruhen in einem Schoß. Du mußt es nun versuchen, dich in deiner Seele zurechtzufinden, sonst lädst du allzu schwere Lasten auf deine Schultern, mehr, als es dir bestimmt ist. Ich weiß es wohl, daß Peter dich liebt, aber es ist das dieses Mal kein gangbarer Weg für dich an der Seite des Blöden. Auch das ist ein Gewebe aus alter Zeit, und es ist nicht die Stunde, um es zu entwirren. Und wenn du mich liebst, so wie Peter dich liebt, so ist auch dies eine Bürde, die für dich zu schwer ist. Denn siehst du, ich bin seit dem letzten Mal, als
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